StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung - Irrtum in der Bezeichnung der Rüge als Sach- oder Verfahrensrüge
StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung - Irrtum in der Bezeichnung der Rüge als Sach- oder Verfahrensrüge
BGH, Urt. vom 16.10.2006 – 1 StR 180/06 - NJW 2007, S. 92 ff. = JR 2007, 172 (Anm. Kretschmer)1
Mit der Verfahrensbeschwerde kann geltend gemacht werden, dass eine verlesene Urkunde oder Erklärung unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei.
Dass der Beschwerdeführer seine Beanstandung im Zusammenhang mit seinen Darlegungen zur Sachrüge und ohne ausdrücklichen Hinweis auf § 261 StPO vorgetragen hat, ist unerheblich.
Entscheidend ist die wirkliche rechtliche Bedeutung des Revisionsangriffs, wie er dem Sinn und Zweck des Revisionsvorbringens zu entnehmen ist; eine Bezeichnung der verletzten Gesetzesvorschrift ist nicht erforderlich.
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom
6. Oktober 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht Karlsruhe hatte den Angeklagten am 16. Januar 1998 wegen versuchten Totschlags zu der Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 12. August 1998. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat nunmehr das Landgericht Mannheim das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 1998 aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. Gegen diesen Freispruch wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin mit Rügen der Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Beweiswürdigung der Strafkammer ist nicht frei von Rechtsfehlern. Erfolg hat auch eine Verfahrensrüge (Verstoß gegen § 261 StPO) der Nebenklägerin. Auf die weiteren Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.
I. Dem Angeklagten H. W. wird vorgeworfen, seine Ehefrau A. , geborene Z. , von der er getrennt lebte, in den frühen Morgenstunden des 29. April 1997 - zwischen 2.00 Uhr und 3.00 Uhr - in deren Wohnung mit einem Schal stranguliert und so versucht zu haben, sie zu töten.
1. Die Strafkammer hat dazu Folgendes festgestellt: A. W. , nach Scheidung der Ehe - und deshalb auch im Folgenden - wieder Z. , war am 7. März 1996 aus der ehelichen Wohnung in der B. straße in G. ausgezogen. Sie wohnte schließlich - seit Februar 1997 - in der Erdgeschosswohnung des elterlichen Reihenhauses in der E. straße in Bi. . Ihr Vater, Wo. Z. , übernachtete häufig in der darunter liegenden Einliegerwohnung. In dieser Souterrainwohnung hatten auch der Angeklagte und seine Frau zu Beginn ihrer Ehe kurzfristig - von September bis Weihnachten 1994 - gewohnt. Erneut hatte die Geschädigte dort unmittelbar nach der Trennung vorübergehend - von März bis Mai 1996 - Unterschlupf gefunden. Die Wohnungen sind durch die Kellertreppe verbunden. Im Schlafzimmer der Erdgeschosswohnung hatte sich A. Z. in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1997 zu Bett begeben, einem Doppelbett in dem auch der damals zwei Jahre und einen Monat alte gemeinsame Sohn K. schlief. Spätestens kurz vor 2.18 Uhr betrat eine der Geschädigten bekannte männliche Person die Wohnung. Zugang hatte sich der Mann entweder mit Hilfe eines Schlüssels verschafft oder er war von A. Z. selbst eingelassen worden. Ein Einbruch scheidet aus. Im Wohnzimmer kam es zu einem Streit, in deren Verlauf der Mann laut und erregt drohte: „Ich bring’ dich um, ich schlag dich tot -mit mir kannsch du des nett machen!“ A. Z. erwiderte mit weinerlicher, wimmernder Stimme: „Was willsch’en von mir - i heb dir doch nix getan!" In dieser Zeit - so die Strafkammer - entschloss sich der Besucher, A.Z. , die sich zwischenzeitlich in ihr Schlafzimmer begeben hatte, zu töten. Der Mann zog sich zwei aus einer Plastiktüte entnommene Vinyleinweghandschuhe über und schlang einen Wollschal aus der Wohnung der Geschädigten um deren Hals, zog dessen Enden mindestens zwei Minuten lang kräftig zusammen, bis A. Z. , die sich wehrte, das Bewusstsein verlor. Der Täter schleppte sein Opfer in den Flur. Dann wurde er vom Vater der Geschädigten gestört, der an diesem Tag in der darunter befindlichen Einliegerwohnung übernachtete. Um 2.34 Uhr war er durch Poltergeräusche, als deren Ursache er Möbelrücken im Zusammenhang mit laufenden Renovierungsarbeiten seiner Tochter vermutete, geweckt worden und wollte sich bei seiner Tochter über diese nächtliche Störung beschweren, weshalb er die Treppe zur Erdgeschosswohnung hoch stieg. Dem Täter gelang es jedoch, die Kellertüre der Wohnung der Geschädigten zuzuschlagen und durch die Haupteingangstür der Erdgeschosswohnung unerkannt zu entkommen. Wo. Z. befreite seine Tochter von der Strangulation. A. Z. überlebte zwar. Aufgrund der zeitweisen Unterbrechung der Blutzufuhr und damit der Sauerstoffversorgung des Gehirns wurden dessen Nervenzellen jedoch dauerhaft so schwer und weitreichend geschädigt, dass sich die heutige Hirnfunktion im Wesentlichen auf vegetative Funktionen beschränkt. Die Strafkammer vermochte sich nicht mit der für die Verurteilung notwendigen Sicherheit davon zu überzeugen, dass der Angeklagte der nächtliche Besucher und damit der Täter war.
II. Zu den Grundlagen des Tatverdachts:
1. A. Z. konnte zur Aufklärung der Tat nichts mehr beitragen. Sie ist aufgrund der erlittenen Schädigungen nicht mehr in der Lage, Sachverhalte aufzunehmen, sinnvoll zu verarbeiten und hierauf zu reagieren. Kommunikation, sei es sprachlich, schriftlich oder auch nur mimisch ist mit ihr nicht mehr möglich.
2. Der zur Tatzeit zweijährige Sohn K. W. hat aus entwicklungspsycho-logischen Gründen (kindliche Amnesie) keine Erinnerung mehr an die damaligen Geschehnisse und entfiel damit für die Hauptverhandlung vor dem Landgericht ebenfalls als geeigneter Zeuge.
3. Auf den Angeklagten fiel der Tatverdacht insbesondere aufgrund folgender Erkenntnisse: A) Den Gründen des angefochtenen Urteils des Landgerichts Mannheim ist dazu zu entnehmen:
a) Es war ein Mann, der A. Z. zu töten versuchte.
b) Der Täter war mit der Geschädigten bekannt. Eine Beziehungstat lag nahe. Die Geschädigte betrieb die Scheidung. In diesem Zusammenhang kam es zu Auseinandersetzungen, insbesondere über das Umgangsrecht des Angeklagten mit dem Sohn K. . Dies hätte Anlass zu auch körperlichen Angriffen geben können.
c) Am Tatort fanden sich zwei Finger von Vinyleinweghandschuhen, einer im Bett von A. Z. , einer im Flur. Sie stammen von zwei Einweghandschuhen unterschiedlicher Größe, die der Täter bei der Tat trug, und wurden beim Kampf - das Doppelbett wurde verschoben - zwischen dem Täter und der Geschädigten abgerissen. Denn an der Außenseite beider Teile fanden sich ausschließlich DNA-Anhaftungen, die von der Geschädigten stammen. An der Innenseite der Fingerteile wurde jeweils eine DNA-Mischspur gesichert, die Merkmale von mehreren, auch unbekannten Personen enthalten. Nur die DNA des Angeklagten und der Geschädigten konnte in beiden Fingern festgestellt werden. In einem der abgerissenen Handschuhfinger (der im Flur) waren sämtliche Merkmale der DNA des Angeklagten zu finden.
d) Der Angeklagte trägt wegen der Schmerzempfindlichkeit zweier teilamputierter Finger im Alltagsleben häufig Einwegplastikhandschuhe, über die er in seiner Wohnung auch in großer Zahl verfügte.
e) Am Tatort fand sich im Flur eine Plastiktüte, stammend von der Stadtapotheke P. , darin ein olivfarbenes Dreieckshalstuch, ein Baumwolltaschentuch, ein Latexeinmalhandschuh, vier Vinyleinweghandschuhe, eine Zigarettenschachtel der Marke „Marlboro-Lights“ mit sieben Gramm Amphetamin, verpackt in sieben verschweißten Plastiktütchen, sowie eine rote Zigarettenschachtel der Marke „Marlboro“, die auf der Vorder- und Rückseite jeweils von Hand mit einem Kreuz markiert war und drei aufgeschnittene und wieder verklebte Folienbeutel aus Cellophan - Umverpackungen von Zigarettenschachteln enthielt. Das Dreieckshalstuch, das Baumwolltaschentuch und die Vinyleinweghandschuhe stammen - so wurde festgestellt - aus dem Haushalt des Angeklagten.
f) An den Enden des zur Strangulierung verwendeten Wollschals fanden sich DNA-Mischspuren. Auch hier kommt der Angeklagte als Miturheber in Betracht.
g) An einer Jeanshose der Geschädigten, die am Tatort - im Flur auf dem Boden liegend - sichergestellt wurde, fand sich eine DNA-Mischspur. Der Angeklagte kommt als Mitverursacher in Betracht.
h) Als die Wohnung des Angeklagten am Tattag durchsucht wurde, fanden sich im Badezimmer - in der Badewanne ausgebreitet - ein T-Shirt und eine Jogginghose, die noch nass waren.
i) Während des Ermittlungsverfahrens legte der Angeklagte am 13. Mai 1997 den Ermittlungsbeamten der Polizei gegenüber ein pauschales Geständnis ab. Zu Einzelheiten befragt verwickelte er sich allerdings in Widersprüche. Der Angeklagte widerrief sein Geständnis alsbald wieder, es habe sich um ein „Gefälligkeitsgeständnis“ gehandelt, zu dem Mitgefangene ihm geraten hätten.
j) Des weiteren ergaben sich während der - neuen - Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim folgende belastende Aspekte:
aa) Der Angeklagte behauptete (erstmals), er habe seinen Sohn an dessen zweitem Geburtstag am 6. März1997 inder E. straße besucht. Dieser Besuch sei harmonisch verlaufen. Er habe mit K. gespielt und mit ihm unter anderem - zusammen mit A. Z. - Blumenzwiebeln im Garten des Anwesens gepflanzt. Bei dieser Gelegenheit habe er wie üblich zum Schutz seiner kälteempfindlichen, teilamputierten Finger Einmalhandschuhe getragen. Diese habe er anschließend im Anwesen E. straße auf dem gemauerten Grill der Terrasse zurückgelassen. Dieser Besuch fand nach den Feststellungen des Landgerichts tatsächlich nicht statt. K. war an seinem zweiten Geburtstag krank, da er tags zuvor eine Erdnuss verschluckt hatte, die im Krankenhaus aus dem linken Hauptbronchus entfernt worden war.
bb) Darüber hinaus hat der Angeklagte Teile seiner Einlassung vor dem Landgericht Karlsruhe wahrheitswidrig widerrufen. So stellte er beispielsweise erstmals in der neuen Hauptverhandlung in Abrede, jemals ein olivfarbenes Dreieckshaltstuch, wie es am Tatort in der weißen Kunststofftüte aufgefunden wurde, besessen zu haben. Dies ist nach den Feststellungen der Strafkammer widerlegt.
B) Hinzu kommt ein weiterer Umstand, der in den Urteilsgründen zwar nicht erwähnt ist, dem Revisionsgericht aber in der Revisionsbegründungsschrift der Nebenklägerin mitgeteilt wird. Danach war Gegenstand der Hauptverhandlung das im Internet veröffentlichte Dokument „H. s Tagebuch“ (eingeführt im Wege des Selbstleseverfahrens gemäß § 249 Abs. 2 StPO), unter anderem mit folgendem Eintrag zum Inhalt eines beschlagnahmten Briefs des Angeklagten an seine damalige Freundin: „Samstag, 03.05.1997 1. Brief an C. (beschlagnahmt) Ich hoffe Du bekommst diesen Brief, wenn es auch über Umwege ist. Scheiß egal. Die wollen mich verurteilen wegen 1. Einbruch, 2. versuchter Mord mit einem B-W-Schal, 3. Drogen. Alle roten Pullis sind sichergestellt worden. Wenn sie sagt, „ja, er war’s“ bin ich für Jahre im Knast. Gestern Mittag habe ich nichts zu essen bekommen (wegen der Fahrt von P nach He. ). Abends, Wurst mit trockenem Brot." (Unterstreichung nur in der Revisionsbegründung) Die Mitteilung dieses Sachverhalts erfolgt zwar im Zusammenhang mit Ausführungen zur Sachrüge. Der Sache nach ist dies jedoch eine - zulässig erhobene - Rüge der Verletzung des § 261 StPO (Inbegriffsrüge).
III. Die Beweiswürdigung der Strafkammer:
1. Die Strafkammer hat die oben genannten unter II.3. Aaufgeführten Indizien entweder nicht bestätigt gesehen und im Übrigen als nicht ausreichend zur Überzeugungsbildung hinsichtlich einer Täterschaft des Angeklagten bewertet.
a) Die Strafkammer hat insbesondere ausgeschlossen, dass der Täter - dies müsste dann der Angeklagte gewesen sein die Plastiktüte, aus der er die Einweghandschuhe entnahm, in der Tatnacht mitbrachte, „es war nicht der Angeklagte, der diese Tüte in das Tatortanwesen brachte“. Das Landgericht ist vielmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass A. die weiße Plastiktüte - derartige Tüten wurden von der Stadtapotheke P. ab Juni 1995 ausgeteilt - mit den vom Angeklagten stammenden Gegenständen, nämlich dem Dreieckstuch, dem Taschentuch sowie den Einweghandschuhen, bei ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung im März 1996 mitnahm, also schon vor der Tat bei sich verwahrt hatte, und dass sie selbst dann die beiden Zigarettenschachteln und das Amphetamin in die Tüte legte. Denn die Zigarettenschachteln stammten - so hat die Strafkammer festgestellt - nicht vom Angeklagten, sondern von der Geschädigten, die eine der Schachteln mit einem Kreuz markiert hatte. Dies schließt das Landgericht aus den Bekundungen von Zeugen, wonach die Geschädigte zuweilen Haschisch und Marihuana konsumiert, entsprechend markierte Zigarettenschachteln „zur Aufbewahrung weicher Drogen genutzt“ und „noch im Jahre 1994 gelegentlich Zigarettenschachteln mit einem Kreuz markiert“ habe. Außerdem „war die markierte Zigarettenpackung vom Tatort erst sieben Monate nach der Trennung der Eheleute W. - im Oktober 1996 -in den Handel gelangt“. „Die Kammer hat weiter keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung unwiderlegt erklärt hat, von der Eigenart seiner geschiedenen Ehefrau, Zigarettenschachteln gelegentlich mit einem Kreuz zu markieren, nichts gewusst zu haben, auf sonstige Weise in den Besitz der von A. Z. markierten Zigarettenschachteln gekommen sein könnte". Die Strafkammer hat dann noch ausgeschlossen, dass der Angeklagte das in der Tüte befindliche Amphetamin „unterschieben“ wollte, um anschließend nach einer „inszenierten“ Aufdeckung eines vermeintlichen Betäubungsmittelbesitzes seiner Frau im Scheidungsverfahren die von ihm gewünschte Ausweitung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn zu erreichen, zumal es hierzu keines nächtlichen Besuches bedurft hätte.
b) Hinsichtlich der DNA-Spuren, die vom Angeklagten stammten bzw. herrühren können, hat die Strafkammer jeweils angenommen, dass der Angeklagte diese Spuren zu anderer Zeit ohne Bezug zur Tat hinterlassen haben kann. Die Einweghandschuhe konnte er schon früher benutzt haben. Mit dem Wollschal und mit der Jeanshose konnte er aufgrund familiärer Kontakte ebenfalls auf andere Art und Weise vorher in Berührung gekommen sein. c) Da die in den abgerissenen Fingerteilen der Einweghandschuhe sichergestellte DNA-Mischspur Merkmale von drei beziehungsweise vier Menschen, darunter von einer nicht bekannten Person enthalte und zudem nicht jede Berührung zur Hinterlassung von Hautpartikeln führen müsse - so die sachverständig beratene Strafkammer -, kommen weitere, auch unbekannte Personen als Täter in Betracht.
d) Einen Schlüssel zur einmal auch von ihm genutzten Wohnung in der E. straße hatte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts nicht mehr.
e) Die - wechselnde -Erklärung des Angeklagten zu den nassen Kleidungsstücken in der Badewanne (Hantieren mit Heizöl oder Duschen) nimmt die Strafkammer hin.
f) Im Aussageverhalten des Angeklagten -behaupteter Besuch beim Sohn K. in der E. straße , Widerruf von Angaben in der ersten Hauptverhandlung - sieht die Strafkammer sein Bestreben, einer erneuten - falschen -Verurteilung zu entgehen, weshalb er auch Zuflucht zu falschen Einlassungen genommen haben mag.
g) Dem im Mai 1997 abgelegten und dann widerrufenen Pauschalgeständnis maß die Strafkammer keine belastende Beweisbedeutung zu. Die ergänzenden Angaben des Angeklagten zum Tatgeschehen waren falsch oder widersprüchlich. Das Landgericht folgt der Einlassung des Angeklagten, dass er dieses falsche Geständnis seinerzeit abgegeben habe, „weil er endlich Ruhe vor den Ermittlungsbehörden habe haben wollen und im Übrigen auf ein mildes Urteil gehofft habe“.
2. Mit dem Inhalt des in „H. s Tagebuch“ zitierten Brief, d.h. mit dem Satz „Wenn sie sagt, 'ja, er war’s' bin ich für Jahre im Knast“, hat sich die Strafkammer mit keinem Wort auseinandergesetzt, sie hat ihn nicht erwähnt.
IV. 1. Die Revisionen haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn ein Angeklagter deshalb freigesprochen wird, weil das Instanzgericht Zweifel an der Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Der Prüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NJW 2005, 1727; BGH, Urteil vom 16. März 2004 - 5 StR 490/03 -; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH NStZ 2002, 48; BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jeweils m.w.N.). Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. BGH NJW 2005, 1727; NStZ-RR 2005, 147, 148). Gemessen an diesen Grundsätzen zeigen sich durchgreifende Mängel in der Beweiswürdigung des Landgerichts:
a) Die Strafkammer ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Täter während der verbalen Auseinandersetzung spontan zur Tötung von A. Z. entschlossen hat. Mit der Möglichkeit einer schon früher geplanten, jedenfalls für den Fall des Eintritts bestimmter Umstände schon zuvor ins Auge gefassten Tat, setzt sich die Strafkammer in der Beweiswürdigung nicht auseinander. Die Erörterung dieser Variante hätte sich jedoch aufgedrängt. Denn konkrete Anhaltspunkte für eine Spontantat hat die Strafkammer nicht festgestellt. Allein aus der ausgestoßenen Drohung „Ich bring’ dich um, ich schlag dich tot - mit mir kannsch du des nett machen!“ kann dies jedenfalls nicht geschlossen werden. Demgegenüber kann die Verwendung von Einweghandschuhen nach der Bewertung durch den Sachverständigen KHK D. in seiner Fallanalyse in den vom Landgericht festgestellten Tatablauf nicht ohne weiteres eingepasst werden. Der Charakter der Tat als eskaliertes soziales Geschehen spreche dagegen, dass der Täter Handschuhe überlegt vor dem Angriff auf das Opfer angelegt habe. Dies liegt an sich auf der Hand. Gleichwohl meint das Landgericht lapidar: „Diesem - keinesfalls zwingenden -Schluss des Sachverständigen schließt sich die Kammer jedoch aufgrund der bereits dargelegten Beweisergebnisse nicht an“. Die gebotene Erörterung der zumindest ebenso nahe liegenden Möglichkeit einer geplanten Tat hätte jedoch die übrigen Beweisumstände in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen können.
b) In der Konsequenz dieser verkürzten Sichtweise unterlässt das Landgericht die gebotene Erörterung eines weiteren Punktes: Die Strafkammer schließt zwar - von ihrem Standpunkt aus - ohne Rechtsfehler aus, dass der Angeklagte die Absicht hatte, der Geschädigten die Amphetamine mitten in der Nacht „unterzuschieben“, um so Vorteile im Streit um das Umgangsrecht mit K. zu gewinnen. Das Landgericht erörtert aber nicht die bei einer geplanten Tat nahe liegende Möglichkeit, dass mit dem Betäubungsmittel eine falsche Spur hinsichtlich des potentiellen Täterkreises gelegt werden sollte.
c) Grundlage der verkürzten Sicht der Strafkammer ist, dass sie „aufgrund der mit einem Kreuz markierten Marlboroschachtel [davon ausgeht], dass sich die am Tatort sichergestellte weiße Kunststofftüte der Stadtapotheke P. früher im Besitz von A. Z. befand“; „es war nicht der Angeklagte, der diese Tüte in der Tatnacht in das Tatortanwesen brachte“. Die Feststellung, die Zigarettenschachteln und das Amphetamin stammten von A. Z. , beruht jedoch ihrerseits auf einer fehlerhaften (lückenhaften) Beweiswürdigung, da wesentliche Aspekte unerörtert geblieben sind. Für die Strafkammer folgt der Besitz der Geschädigten an den Zigarettenschachteln und am Amphetamin aus den Angaben von Zeugen, wonach A. Z. Rauschmittel konsumierte und dieses in mit Kreuzen gekennzeichneten Zigarettenschachteln verwahrte. Erwähnt, aber nicht in die Beweiswürdigung einbezogen hat die Strafkammer, dass die entsprechenden Beobachtungen spätestens im Jahre 1994/Januar 1995 endeten und sich die Bekundungen, soweit sie glaubhaft waren, nur auf den - gelegentlichen -Konsum von Marihuana und Haschisch bezogen, nicht aber auf Amphetamine. Mit der Variante, der Angeklagte könnte in Kenntnis der (früheren) Übung seiner Frau die Zigarettenschachtel - als Täter - zu Täuschungszwecken selbst entsprechend vorbereitet haben, setzt sich die Strafkammer bei weitem nicht erschöpfend auseinander: „Die Kammer hat weiter keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung unwiderlegt erklärt hat, von der Eigenart seiner geschiedenen Ehefrau, Zigarettenschachteln gelegentlich mit einem Kreuz zu markieren nichts gewusst zu haben, auf sonstige Weise in den Besitz der von A. Z. markierten Zigarettenschachteln gekommen sein könnte.“ Die - nur nebenbei erwähnte - Einlassung des Angeklagten, er habe die Angewohnheit seiner Frau, Zigarettenschachteln gelegentlich mit einem Kreuz zu markieren, nicht gekannt, hätte den Feststellungen nicht ohne genaueres Hinterfragen zugrunde gelegt werden dürfen. Denn das Gegenteil liegt nahe, wenn diese Gewohnheit selbst im Bekanntenkreis nicht verborgen blieb. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten allein seinen Angaben folgend eher fern liegende Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind. In diesem Zusammenhang hätte es auch nahe gelegen, den Fragen nachzugehen, ob der Angeklagte selbst Betäubungsmittel konsumierte, ob er in den Wochen vor der Tat Kontakt zu Betäubungsmittelhändlern hatte, ob er rauchte, gegebenenfalls welche Marke. Fanden sich Zigarettenschachteln in der Wohnung des Angeklagten, waren gegebenenfalls - bei diesen dann die Cellophan - Umverpackungen noch vorhanden? Nutzte er sie als Behältnisse auch für andere Dinge? Dass die Geschädigte, sofern sie die Plastiktüte bei ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung mitnahm, damit dann noch zwei Mal umzog, bewertet die Strafkammer ebenfalls nicht.
d) Die Strafkammer würdigt weiter nicht, dass es außer dem Angeklagten und dem Tatopfer keine Person gibt, die Spuren an den Innenseiten beider abgerissener Fingerteile, die von beiden Einmalhandschuhen stammen, hinterlassen hat.
e) Dass die vom Täter verwendeten Vinyleinmalhandschuhe aus einer vom Tatopfer selbst in ihrer Wohnung verwahrten Kunststofftüte entnommen worden seien, folgert die Strafkammer auch daraus, dass sich A. Z. zuordenbare DNA-Spuren an der Innenseite der aufgefundenen Fingerteile fanden. „Dies lasse den Schluss zu, …. dass das Opfer die Handschuhe bereits vor der Tat in Besitz gehabt und selbst getragen habe.“ Dies ist zwar für sich betrachtet ein grundsätzlich möglicher und dann revisionsrechtlich hinzunehmender Schluss. Hier hätte es aber der Erörterung bedurft, warum die Strafkammer damit inzident die bloße Verschleppung von Hautepithelzellen des Opfers ausschließt, eine Möglichkeit, die sie hinsichtlich der DNA-Spuren anderer Personen in den Fingerteilen selbst anspricht.
f) Selbst wenn es sich um eine Spontantat handelte und die Tüte, aus der der Täter die Einweghandschuhe entnahm, sich schon längere Zeit im Besitz der Geschädigten befand, war dem Angeklagten die Existenz der Plastikhandschuhe in der Tüte jedenfalls bekannt, während dies bei anderen potentiellen Tätern eher fern liegt. Ihm war damit ein rascher Zugriff am ehesten möglich. Dies könnte auch bei einer Spontantat für seine Täterschaft sprechen, was jedenfalls der Erörterung bedurft hätte.
g) Bei der Bewertung der in der Badewanne des Angeklagten am 29. April 1997 vorgefundenen Kleidungsstücke lässt die Strafkammer unerörtert, dass der Nässegrad zum Zeitpunkt der Durchsuchung nur schwer mit seiner ursprünglichen Einlassung vereinbar ist, wonach er diese am Tag vor der Tat (bis 16.00 Uhr) wegen Heizölgeruchs „oberflächlich ausgewaschen“ hat. Vor diesem Hintergrund könnte die neue, in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim vorgetragene Einlassung, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er die Kleidungsstücke ausgewaschen habe oder ob sie, nachdem er sie wegen ihres Geruchs in die Badewanne gelegt hatte, beim Haare waschen oder Duschen nass geworden sind, in einem anderen Licht erscheinen. Auch dies hätte der Erörterung bedurft.
2. Erfolg hat neben der Sachrüge - rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung - auch die von der Nebenklägerin - der Sache nach - zulässig erhobene Formalrüge der Verletzung des § 261 StPO, Nichtverwertung des gemäß § 249 Abs. 2 StPO als Inhalt von „H. s Tagebuch“ eingeführten Briefes (Original in Ordner III Seite 139) des Angeklagten, den er „über Umwege“ an seine Freundin C. schicken wollte. Mit der Verfahrensbeschwerde kann geltend gemacht werden, dass eine verlesene Urkunde oder Erklärung unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei (BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 30; Wahl, Prüfung des rechtlichen Gehörs durch das Revisionsgericht, Sonderheft G. Schäfer S.73 f.). Dass der Beschwerdeführer seine Beanstandung im Zusammenhang mit seinen Darlegungen zur Sachrüge und ohne ausdrücklichen Hinweis auf § 261 StPO vorgetragen hat, ist unerheblich. Denn ein Irrtum in der Bezeichnung der Rüge als Sach- oder Verfahrensrüge ist unschädlich, vorausgesetzt, dass der Inhalt der Begründungsschrift - wie hier - deutlich erkennen lässt, welche Rüge gemeint ist. Entscheidend ist die wirkliche rechtliche Bedeutung des Revisionsangriffs, wie er dem Sinn und Zweck des Revisions-vorbringens zu entnehmen ist; eine Bezeichnung der verletzten Gesetzesvorschrift ist nicht erforderlich (vgl. BGHSt 19, 273, 275, 279; BGH, Urteil vom 23. Mai 2006 -5 StR 62/06 - Rdn. 7; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 72; Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO 5. Aufl. § 344 Rdn. 19; Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 344 Rdn. 10). In der Revisionsbegründung werden die tatsächlichen Grundlagen zu dieser Rüge umfassend vorgetragen. Dies genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Weitergehender Ausführungen bedarf es nicht (§ 352 Abs. 2 StPO). In der Revisionshauptverhandlung hat der Nebenklägervertreter auf Nachfrage bestätigt, dass er mit seiner Revisionsbegründung die fehlende Verwertung des verlesenen Tagebuchabschnitts beanstanden wollte - Rüge der Verletzung des § 261 StPO -. Mit diesem Beweismittel von erheblichem Gewicht, mit dem entscheidenden Satz dieses Briefes „Wenn sie sagt, 'ja ich war’s’ bin ich für Jahre im Knast.“ hätte sich die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung auseinandersetzen müssen. Denn Anhaltspunkte dafür, die Geschädigte könnte den Angeklagten zu Unrecht belasten, wenn er nicht der Täter ist, und dass sie damit den wahren Angreifer vor Verfolgung schützen wollte, sind nach dem Inhalt der Urteilsgründe nicht ersichtlich, auch nicht dafür, dass der Angeklagte dies hätte befürchten müssen. Diese schriftliche Äußerung des Angeklagten könnte auch sein widerrufenes Pauschalgeständnis während seiner polizeilichen Vernehmung in einem anderen Licht erscheinen lassen. Dies hätte dann jedenfalls der Erörterung bedurft, wobei dann auch das sonstige Aussageverhalten (Offenbarung von Täterwissen?) zu bewerten gewesen wäre. Dass die Beweisbedeutung dieses den Angeklagten erheblich belastenden Satzes im Lauf der Hauptverhandlung vor der Strafkammer für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich entfallen sein könnte, so dass es einer Erörterung in den Urteilsgründen nicht mehr bedurft hätte, kann bei der Bedeutung dieses Beweismittels hier ausgeschlossen werden.
3. Der Senat vermag deshalb nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Vermeidung der aufgezeigten Fehler anders entschieden hätte. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Ihr Anwalt Hamburg - Kanzlei Rechtsanwälte Lauenburg & Kopietz