StPO § 261 Urteilsbegründung bei Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
BGH, Urt. v. 02.02.2021 – 4 StR 471/20
1. In den Urteilsgründen ist wiederzugeben, ob und wie sich der Beschuldigte in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen hat.
2. Das Beruhen des Urteils auf einer fehlenden Wiedergabe der Einlassung des Beschuldigten kann bei einer klaren und dichten Beweislage, die im Rahmen der Beweiserwägungen durch das Tatgericht dokumentiert wird, ausgeschlossen werden.
3. Das Beruhen einer Unterbringungsentscheidung auf der fehlenden positiven Feststellung der Voraussetzungen des § 21 StGB kann ausgeschlossen werden, wenn eine Anlasstat von Gewicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist.
4. Die selbstständige Einziehung eines Gegenstandes im nur im selbstständigen Einziehungsverfahren gem. § 435 Abs. 1 StPO und nicht im Sicherungsverfahren gem. § 413 StPO möglich.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2. Februar 2021 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 6. Juli 2020 im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben; die Einziehung entfällt.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschuldigte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die unausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
1. Die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
a) Zwar ist die Beweiswürdigung lückenhaft, weil den Urteilsgründen auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht entnommen werden kann, ob sich der Beschuldigte in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen hat, obwohl dies von Rechts wegen geboten ist.
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass in den Urteilsgründen wiederzugeben ist, ob und gegebenenfalls wie sich der Beschuldigte in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2020 ‒ 4 StR 371/20; vom 1. September 2020 ‒ 1 StR 205/20; vom 12. Februar 2020 ‒ 1 StR 518/19, NStZ-RR 2020, 152, 153; vom 12. Dezember 2019 ‒ 5 StR 444/19; vom 10. Dezember 2014 ‒ 3 StR 489/14, StraFo 2015, 121, 122; und vom 30. Dezember 2014 - 2 StR 403/14, NStZ 2015, 299). Zwar ergibt sich dies nicht aus § 267 StPO, der den Inhalt der Urteilsgründe bestimmt. Aus sachlich rechtlichen Gründen ist aber regelmäßig eine Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich das Tatgericht unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2020 ‒ 4 StR 371/20; vom 24. Juni 2020 ‒ 2 StR 416/19 und vom 30. Dezember 2014 - 2 StR 403/14, NStZ 2015, 299, 300).
Der hierin liegende Rechtsfehler nötigt unter den hier gegebenen besonderen Umständen jedoch nicht zu einer Aufhebung des Urteils. Das Landgericht hat die ‒ geständigen ‒ Angaben des Beschuldigten gegenüber den Polizeibeamten und dem psychiatrischen Sachverständigen zu den Anlasstaten, zu seiner jeweiligen Tatmotivation und zu seinem krankheitsbedingten Erleben in seine Beweiserwägungen eingestellt. Da es sich die Überzeugung vom Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen maßgeblich auch unter Berücksichtigung dieser Angaben des Beschuldigten sowie unter Berücksichtigung der hiermit in Einklang stehenden weiteren Zeugenaussagen verschafft hat, kann der Senat angesichts der bestehenden, ungewöhnlich klaren und dichten Beweislage ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO).
b) Zwar begegnet die Wertung der Tat II.4 der Urteilsgründe als Anlasstat rechtlichen Bedenken. Denn insoweit sind die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht ‒ wie im Rahmen des § 63 StGB erforderlich (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986 ‒ 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 26) ‒ positiv festgestellt, sondern lediglich nicht ausgeschlossen. Angesichts des Gewichts der drei rechtsfehlerfrei festgestellten Anlasstaten (Messerangriffe mit erheblichen Verletzungsfolgen auf einen Unbekannten und auf seine Eltern, von denen er sich verfolgt bzw. vergiftet glaubte) schließt der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler jedoch aus (§ 337 Abs. 1 StPO).
2. Die Anordnung der Einziehung des sichergestellten Messers kann dagegen nicht bestehen bleiben, weil die Einziehung im (isolierten) Sicherungsverfahren nicht in Betracht kommt. Die selbständige Einziehung eines Gegenstands gemäß § 76a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 74 Abs. 1 StGB ist nicht im Sicherungsverfahren nach § 413 StPO, sondern nur im selbstständigen Einziehungsverfahren gemäß § 435 Abs. 1 StPO möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2018 ‒ 4 StR 462/18; Beschluss vom 16. März 2016 ‒ 4 StR 39/16, StraFo 2016, 256). Einen Antrag im Sinne des § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO hat die Staatsanwaltschaft nicht gestellt. Die Einziehung hatte daher zu entfallen.
3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Beschuldigten teilweise von den Kosten des Revisionsverfahrens und der ihm hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen freizustellen.