StPO § 261 Widerlegung von Entlastungsvorbringen kein Belastungsindiz
StPO § 261 Widerlegung von Entlastungsvorbringen kein Belastungsindiz
BGH, Beschl. v. 16.12.2010 – 4 StR 508/10 – StV 2011, 269 = NStZ-RR 2011, 118
Die Widerlegung bewusst wahrheitswidrigen Entlastungsvorbringens liefert in der Regel kein zuverlässiges Indiz für die Täterschaft des Angeklagten.
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 24. Juni 2010 wird a) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.1.d) der Urteilsgründe (Tat vom 1. Februar 2010) wegen versuchten Diebstahls verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten, b) der Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in drei Fällen schuldig ist, c) das Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen und wegen versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus verfahrensökonomischen Gründen ein, soweit der Angeklagte im Fall II.1.d) der Urteilsgründe (Tat vom 1. Februar 2010) wegen versuchten Diebstahls verurteilt worden ist. Insofern begegnet die Beweiswürdigung rechtlichen Bedenken, da die Strafkammer dort zum Nachteil des Angeklagten verwertet hat, dass er "ohne ersichtlichen Grund die Unwahrheit gesagt" habe, als er behauptete, am Tatabend in seinem Zimmer gewesen zu sein, und er -nachdem ihm die Unrichtigkeit dieser Behauptung vorgehalten worden war - "jede weitere Aussage zur Sache abgelehnt" habe, was den Schluss zulasse, "dass der Angeklagte zuvor begangenes strafrechtlich relevantes Verhalten zu vertuschen versucht hat" (UA 23). Die Widerlegung bewusst wahrheitswidrigen Entlastungsvorbringens liefert jedoch in der Regel kein zuverlässiges Indiz für die Täterschaft des Angeklagten. Soll eine Lüge als Belastungsindiz dienen, setzt dies vielmehr voraus, dass mit rechtsfehlerfreier Begründung dargetan wird, warum im zu entscheidenden Fall eine andere Erklärung nicht in Betracht kommt oder - wiewohl denkbar - nach den Umständen so fernliegt, dass sie ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1995 - 2 StR 137/95, BGHSt 41, 153, 155 f.). Entsprechendes gilt, soweit die Strafkammer das Schweigen des Beschuldigten zu seinem Nachteil berücksichtigt hat. Selbst wenn vorliegend ein grundsätzlich einer Würdigung zugängliches teilweises Schweigen gegeben wäre, dürften daraus für den Angeklagten nachteilige Schlüsse nur dann gezogen werden, wenn nach den Umständen Angaben zu diesem Punkt zu erwarten gewesen wären, andere mögliche Ursachen des Verschweigens ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich lediglich fragmentarischer Natur sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2002 - 3 StR 370/01, NJW 2002, 2260). Die Einstellung führt zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten.
2. Dies hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird von der teilweisen Einstellung des Verfahrens dagegen nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne den durch die Verfahrenseinstellung in Wegfall geratenen versuchten Diebstahl von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten abgesehen hätte, zumal es zu deren Begründung - jedenfalls vorrangig - lediglich die Einbruchdiebstähle herangezogen hat, die zu einem "Sachschaden in Gestalt der Beute" und "häufig auch einem weiteren Sachschaden in Gestalt der Beschädigung des Bauwerks" geführt haben (UA 32 f.), es also nicht auf den lediglich versuchten Diebstahl abgestellt hat.
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