StPO § 353 Abs. 2 Bindungswirkung früherer Entscheidung nach erfolgreicher Revision

BGH, Beschl. 08.09.2015 – 2 StR 304/15 – BeckRS 2015, 18918

Wird nach erfolgreicher Revision ein Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, bleiben lediglich die den Schuldspruch tragenden Feststellungen bestehen. Diese binden den neuen Tatrichter, auch wenn sie als doppelrelevante Tatsache zugleich für den Strafausspruch Bedeutung haben. Aufgehoben sind hingegen alle Feststellungen, die sich ausschließlich auf den Strafausspruch beziehen. Der zur neuen Entscheidung berufene Tatrichter ist gehalten, umfassend eigene Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten einschließlich der Vorstrafen zu treffen und diese in den Urteilsgründen mitzuteilen.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 8. September 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. März 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgerichtskammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:
1. Die Angeklagten waren durch Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juni 2013 wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und wegen besonders schwerer Brandstiftung jeweils - hinsichtlich des Angeklagten T. B. unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer Vorverurteilung - zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt worden; daneben hatte das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Auf die Revisionen der Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 8. Juli 2014 (2 StR 80/14) die Rechtsfolgenaussprüche mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Das Landgericht hat die Angeklagten nunmehr (erneut) jeweils - hinsichtlich des Angeklagten T. B. unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer Vorverurteilung - zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
2. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen, haben Erfolg. Das angefochtene Urteil hat keinen Bestand, weil das Landgericht den Umfang der Bindungswirkung des teilrechtskräftigen Urteils falsch bestimmt hat. Aufgrund der rechtskräftigen Schuldsprüche ist nur noch über die Rechtsfolgenaussprüche zu befinden, die hier indes auf Feststellungen beruhen, die das Landgericht nicht in prozessordnungsgemäßer
Weise getroffen hat.
a) Im Zusammenhang mit der Erörterung der Bindung an die frühere Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, dass auch die "Feststellungen zur Person der Angeklagten [...] in Rechtskraft erwachsen" sind. Es hat zu den persönlichen Verhältnissen, zu den Vorstrafen der Angeklagten und zu der beim Angeklagten T. B. einbezogenen Geldstrafe aus einer Vorverurteilung die Feststellungen aus dem Urteil vom 17. Juni 2013 wörtlich und in kursiv gesetzt übernommen. "Ergänzend" hat die Strafkammer "weitere" Feststellungen lediglich zu der "Alkohol- und Drogenvergangenheit" der Angeklagten getroffen.
b) Diese Verfahrensweise ist rechtsfehlerhaft, weil das Urteil des Landgerichts vom 17. Juni 2013 durch den Beschluss des Senats vom 8. Juli 2014 in den Rechtsfolgenaussprüchen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben worden war. Wird ein Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, so bleiben lediglich die den Schuldspruch tragenden Feststellungen bestehen. Diese binden den neuen Tatrichter, auch wenn sie als doppelrelevante Tatsachen zugleich für den Strafausspruch Bedeutung haben. Durch die Entscheidung des Revisionsgerichts sind hingegen alle Feststellungen aufgehoben, die sich ausschließlich auf den Strafausspruch beziehen. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter ist gehalten, umfassend eigene
Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten einschließlich der Vorstrafen zu treffen und diese in den Urteilsgründen mitzuteilen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Dezember 1971 - 2 StR 522/71, BGHSt 24, 274, 275; Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; Beschluss vom 8. September 2015 - 2 StR 136/15, jeweils mwN). Auch die von der Strafkammer lediglich "ergänzend" getroffenen weiteren Feststellungen zu der "Alkohol- und Drogenvergangenheit" der Angeklagten, die "im Wesentlichen auf den Einlassungen der beiden Angeklagten" beruhen, und der verlesene - offensichtlich veraltete - Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 21. Mai 2013 hinsichtlich des Angeklagten B. B. belegen, dass sich das Landgericht an die vom Senat aufgehobenen Feststellungen aus dem Urteil vom 17. Juni 2013 gebunden gesehen und demzufolge rechtsfehlerhaft keine umfassend eigenen Feststellungen getroffen hat.