StPO § 354 Abs. 1a Obligatorische Einziehung des Tatfahrzeugs bei Einfuhr von Betäubungsmitteln

BGH, Urt. v. 04.11.2020 – 6 StR 333/20

1. Bei erheblichen Straftaten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln kann auf die Einziehung des Tatfahrzeugs regelmäßig nicht verzichtet werden, so dass in einem derartigen Fall das Urteil nicht auf der Nichtausübung des Ermessens beruht.

2. Hat das Tatgericht versäumt, die Einziehung eines wertvollen Kraftfahrzeugs als Tatmittel nach § 74 Abs. 1 StGB als bestimmenden Gesichtspunkt bei der Bemessung der Strafe angemessen zu berücksichtigen, so kann das Revisionsgericht gleichwohl die Revision des Angeklagten verwerfen, wenn die Rechtsfolge angemessen iSd § 354 Abs. 1a S. 1 StPO ist.

Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. November 2020 beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 17. Juni 2020 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Der Strafausspruch hat im Ergebnis Bestand.

Zwar hat die Strafkammer nicht erkennbar bedacht, dass die Einziehung des Fahrzeugs als Tatmittel nach § 74 Abs. 1 StGB grundsätzlich als bestimmender Gesichtspunkt bei der Bemessung der Strafe im Wege der Gesamtbetrachtung angemessen zu berücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2018 – 3 StR 8/18, NStZ 2018, 526; vom 5. November 2019 – 2 StR 447/19, StV 2020, 232; vom 11. Februar 2020 – 4 StR 525/19, NStZ 2020, 407, 408; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1834). Sie hat auch den Wert des Fahrzeugs nicht festgestellt. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Beachtung der oben dargelegten Grundsätze die Strafe milder bemessen hätte, denn im Hinblick auf den Fahrzeugtyp (Audi Q 7) und den Anschaffungszeitpunkt (Ende 2018) ist nicht von einem gänzlich unbedeutenden Wert auszugehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 2018 – 5 StR 354/18; vom 26. Februar 2019 – 4 StR 564/18). Gleichwohl nötigt der Rechtsfehler unter den hier gegebenen Umständen nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil dieser jedenfalls angemessen ist (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Ob eine Rechtsfolge als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO angesehen werden kann, hat das Revisionsgericht auf der Grundlage der Feststellungen des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte, insbesondere aller nach § 46 StGB für die Strafzumessung erheblichen Umstände zu beurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2013 – 1 StR 66/13, NStZ-RR 2013, 307; vom 29. April 2014 – 4 StR 23/14; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 1592). Dem Senat steht ein vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung, wobei er – jeden Nachteil des Angeklagten ausschließend – von einem sehr hohen Wert des Kraftwagens ausgeht. Bei seiner Entscheidung, dass die vom Landgericht verhängte Strafe angemessen ist, berücksichtigt der Senat neben den von der Strafkammer ausdrücklich genannten Gesichtspunkten zu Gunsten des Angeklagten, dass er durch die Einziehung des Fahrzeugs einen erheblichen Vermögensverlust erlitten hat. Mit Blick auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse trifft ihn die Einziehung des Fahrzeugs indessen nicht so hart, dass sie bei der Festsetzung der Strafe erheblich zu seinen Gunsten ins Gewicht fällt. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen erwirtschaftete der Angeklagte in der Vergangenheit mit seinen Unternehmen erhebliche Gewinne. Als professioneller Pokerspieler erzielte er in den letzten fünf Jahren Einkünfte von insgesamt 500.000 Euro. Ferner verfügt er über ein Barguthaben in einem Bankschließfach in M. .

2. Auch die Einziehungsentscheidung begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Soweit sich aus dem Urteil nicht ergibt, dass die Strafkammer sich des ihr nach § 74 Abs. 1 StGB zustehenden Ermessens bewusst war, kann der Senat ein Beruhen der Entscheidung auf diesem Rechtsfehler ausschließen. Die angeordnete Einziehung verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 74f StGB). Bei erheblichen Einfuhrdelikten, zu denen die abgeurteilte Tat gehört, kann auf die Einziehung des Tatfahrzeugs regelmäßig nicht verzichtet werden (Körner/Patzak/Volkmer/Volkmer, 9. Aufl., BtMG § 33 Rn. 60 mwN).