StPO § 354 Abs. 1a StPO – Zurückhaltung bei Jugendstrafe
StPO § 354 Abs. 1a StPO – Zurückhaltung bei Jugendstrafe
BGH, B eschl. V. 27.10.2009 – 3 StR 404/09 = NStZ-RR 2010, 56
§ 354 Abs. 1a StPO gilt zwar grundsätzlich auch bei der Prüfung der Angemessenheit einer Jugendstrafe (vgl. BGH NStZ 2006, 587 f.); allerdings ist insoweit aufgrund der Besonderheiten bei der Zumessung einer jugendrechtlichen Sanktion eine gewisse Zurückhaltung des Revisionsgerichts geboten.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 27. Oktober 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 3. Juni 2009 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte und wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Die Strafkammer hat die Verhängung einer Jugendstrafe sowohl wegen schädlicher Neigungen des Angeklagten als auch wegen der Schwere der Schuld für erforderlich gehalten (§ 17 Abs. 2 JGG). Zur Begründung hat es jeweils u. a. darauf abgestellt, dass der Angeklagte bereits einmal für einen Verstoß gegen die Rechtsordnung mit jugendrechtlichen Maßnahmen belegt worden sei bzw. bereits die Folgen eines Verstoßes gegen die Rechtsordnung zu spüren bekommen habe. Diese Erwägung wird von den Feststellungen nicht getragen. Danach war der Angeklagte zwar vor der Verurteilung in dem hiesigen Verfahren von dem Amtsgericht S. wegen des Diebstahls von 200 € aus der Klassenkasse verwarnt und mit einer Wiedergutmachungspflicht belegt worden. Die Gründe des angefochtenen Urteils lassen jedoch nicht erkennen, wann diese Tat begangen wurde und ob die Verurteilung durch das Amtsgericht vor den hier verfahrensgegenständlichen Taten, die im Jahre 2007 begangen wurden, lag. Das mitgeteilte Aktenzeichen der amtsgerichtlichen Entscheidung (Ds - 17/08) spricht dafür, dass die dortige Sache erst nach den hier abgeurteilten Taten beim Amtsgericht anhängig wurde. Mit Blick auf die näheren Umstände des vorliegenden Falles - insbesondere die Intensität der Übergriffe auf die im Tatzeitraum erst fünf Jahre alte Geschädigte - ist zwar auszuschließen, dass die Annahme der Schwere der Schuld des Angeklagten durch das Landgericht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Jedoch hat sich dieses nicht ausschließbar auch bei der konkreten Bemessung der Jugendstrafe von der nicht belegten Erwägung leiten lassen, der Angeklagte habe schon vor den hiesigen Delikten zumindest eine andere Straftat begangen und sei bereits vor Erlass des hier angefochtenen Urteils jugendrechtlich sanktioniert worden. So hat es u. a. bei der Erörterung des Erziehungsbedarfs des Angeklagten ausgeführt, die Gesamtentwicklung lasse eine deutliche Steigerung von dessen Bereitschaft erkennen, auch "schwerste" Straftaten zu begehen. Der Senat vermag entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift nicht dahin zu erkennen, dass die verhängte, nicht unerhebliche Jugendstrafe trotz des Rechtsfehlers angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a StPO ist. Diese Vorschrift gilt zwar grundsätzlich auch bei der Prüfung der Angemessenheit einer Jugendstrafe (vgl. BGH NStZ 2006, 587 f.); allerdings ist insoweit aufgrund der Besonderheiten bei der Zumessung einer jugendrechtlichen Sanktion eine gewisse Zurückhaltung des Revisionsgerichts geboten (so zu Recht Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 26 g). Insbesondere mit Blick auf die weitere Entwicklung des zur Tatzeit 16 bzw. 17 Jahre alten Angeklagten und vor dem Hintergrund der in den Urteilsgründen mitgeteilten, plausibel begründeten Ausführungen des Sachverständigen, mit weiteren Sexualstraftaten des Angeklagten sei nicht zu rechnen, muss die Bestimmung der angemessenen Rechtsfolgen hier einem neuen Tatgericht vorbehalten bleiben.
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