StPO § 414 Übergang vom Sicherungs-, ins Strafverfahren – Verstoß gegen die Hinweispflicht

BGH, Urt. v. 02.09.2020 – 5 StR 520/19

1. Das Unterbleiben eines Hinweises nach § 416 II 1 StPO, dass beabsichtigt sei, vom Sicherungsverfahren ins Strafverfahren überzugehen, stellt zwar einen Verfahrensverstoß dar, begründet aber kein Verfahrenshindernis.

2. Statistische Werte sind bei der individuellen Gefahrenprognose im Rahmen der Maßregelprüfung allenfalls am Rande von Bedeutung.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. September 2020 für Recht erkannt: 

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 26. April 2019 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Sachbeschädigung (Tat II.1 der Urteilsgründe) entfällt.

2. Die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

- Von Rechts wegen –

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und versuchter Sachbeschädigung (Tat II.1) sowie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung und wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Hinsichtlich weiterer Tatvorwürfe – Sachbeschädigung, versuchter Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Störung des öffentlichen Friedens in drei Fällen, Bedrohung in zwei Fällen, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Beleidigung – hat es sie wegen aufgehobener Schuldfähigkeit freigesprochen. Dabei waren sämtliche Taten zunächst Gegenstand eines Sicherungsverfahrens. In der Hauptverhandlung hat das Landgericht hinsichtlich der Tat 13 der Antragsschrift (Tat II.3 der Urteilsgründe) auf den Übergang in das Strafverfahren hingewiesen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision macht die Staatsanwaltschaft ein Verfahrenshindernis geltend und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich insbesondere dagegen, dass das Landgericht nicht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat. Das Rechtsmittel führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe.

I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Die Angeklagte leidet seit spätestens 2015 an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie. Überdies besteht bei ihr ein Abhängigkeitssyndrom von multiplen psychotropen Substanzen. Ab 2015 befand sich die Angeklagte in einem Zustand wahnhaften Erlebens mit akustischen Halluzinationen. Kriseninterventionen und die Gabe antipsychotischer Medikamente führten jeweils nur kurzfristig zur Besserung. Während der vorläufigen Unterbringung kam es trotz antipsychotischer Medikamentengabe nicht zu einer wesentlichen Symptomremission, aber auch nicht zu fremdaggressivem Verhalten.

2.Nachdem das Landgericht Dresden die Angeklagte bereits am 24. April 2018 wegen Nötigung, Diebstahls, Erschleichens von Leistungen, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt, hinsichtlich weiterer Vorwürfe – vor allem gegen Polizeibeamte und ehemalige Nachbarn gerichtete Beleidigungen und Bedrohungen sowie vorsätzliche Körperverletzung durch Kneifen in den Arm – wegen aufgehobener Schuldfähigkeit freigesprochen und aus der Untersuchungshaft entlassen hatte, kam es zu folgenden vorsätzlichen Taten:

a) Am Abend des 8. Juni 2018 warf die Angeklagte eine 1,50 Meter lange Holzlatte, in der zwei Befestigungsnägel steckten, aus dem Hof eines Mehrfamilienhauses gezielt auf ihre auf dem Balkon in der zweiten Etage stehende vormalige Nachbarin Q. , die durch einen Rückwärtsschritt verhindern konnte, getroffen zu werden. Im Anschluss warf sie Steine gegen das Fenster ihres ehemaligen Nachbarn K. , wodurch dieses beschädigt wurde. Sodann beschimpfte sie ihren früheren Nachbarn Ho. und warf einen „kleinen Stein“ aus dem Handgelenk in Richtung seiner Füße, wobei sie ihn verfehlte. Zwischen dem 24. und 30. Juli 2018 kündigte sie aufgrund dreier Tatentschlüsse durch zahlreiche Faxmitteilungen an das Polizeirevier D. Attentate an, wobei ihr bewusst war, dass die Androhungen geeignet waren, ernst genommen zu werden. Per Fax bedrohte sie den Polizeibeamten T. am 31. Juli 2018 mit dem Tod. Am 1. August 2018 veröffentlichte sie einen Reichsadler bei facebook und äußerte sich in einem Fax an das Polizeirevier beleidigend gegenüber der Polizeibeamtin R. . Aufgrund ihrer wahnhaften Vorstellung ging die Angeklagte davon aus, ihre Feinde zu bekämpfen. Das Landgericht ist nach sachverständiger Beratung davon ausgegangen, dass die Einsichtsfähigkeit der Angeklagten zu den Zeitpunkten dieser Taten jeweils krankheitsbedingt aufgehoben war.

b) Von eingeschränkter Steuerungsfähigkeit bei erhaltener Einsichtsfähigkeit ist die Strafkammer hingegen bei den zur Verurteilung gelangten Taten ausgegangen:

Am 16. Juni 2018 gegen 23 Uhr warf die Angeklagte, mit einem Bekannten an einer Haltestelle unweit des Polizeireviers D. sitzend, Steine aus dem Gleisbett der Straßenbahn gegen ein Geländer, hinter dem eine Straßenbahn stand. Als die hinzugekommenen Polizeibeamten C. und Th. sie aufforderten, dies zu unterlassen, entgegnete die Angeklagte „verpisst euch, ihr Wichser“. Der Begleiter versuchte die Angeklagte zu beruhigen, so dass die Polizisten den Ort unter Hinweis auf eine mögliche Ingewahrsamnahme verließen. Als sie ihr den Rücken zugewandt hatten, warf sie einen faustgroßen Stein in Richtung des ca. 15 Meter entfernten C. , der sich instinktiv umdrehte und auswich, wodurch er verhinderte, dass der Stein ihn am Schienbein traf (Tat II.1 der Urteilsgründe). Unmittelbar nach dem Steinwurf kamen C. und Th. mit ihrem Kollegen W. zurück, um die Angeklagte wegen dieses Vorfalls im Revier anzuhören. Den mehrfachen Aufforderungen, sich zu erheben und zu folgen, kam sie indes nicht nach. W. legte sie mittels überraschenden Polizeigriffs bäuchlings ab. Auf die Ankündigung, ihr Handfesseln anzulegen, vergrub sie die Hände unter dem Körper und strampelte mit den Füßen, um Widerstand gegen die vorläufige Festnahme zu leisten, ohne aber die Polizisten verletzen zu wollen. Während der Verbringung zu dem Polizeirevier äußerte sie: „Ich komme nicht mit, ihr Wichser! Warum jagt ihr mir nicht eine Kugel in den Kopf, ihr Wichser? Ihr Fotzen!“, und setzte die Beleidigungen im Revier fort. Zudem spuckte sie C. auf die Schutzweste, was ihn ekelte. Er ergriff ihren Kopf, um weitere Spuckattacken zu verhindern, so dass es zu einem kurzen Gerangel kam, in dessen Verlauf es den Polizisten gelang, gegen die sie weiter beleidigende Angeklagte die Oberhand zu behalten (Tat II.2 der Urteilsgründe). Am 2. August 2018 warf die Angeklagte eine teils gefüllte Bierflasche gegen die Hausmauer des Polizeireviers. Der Polizeibeamte F. sprach sie darauf an, worauf sie nicht reagierte. Als er ihr mit den Kollegen O. und W. folgte und sie aufforderte sich umzudrehen, hielt sie ihm ein ungeöffnetes Multifunktionswerkzeug, zu dem auch ein 7,5 Zentimeter langes Messer gehörte, vor und nestelte daran, um ihre Drohgebärde zu verstärken. O zog seine Dienstwaffe zur Sicherung des Kollegen und lud sie durch. F. erkannte, dass das Multifunktionswerkzeug nicht ausgeklappt war und forderte sie auf, das Messer wegzunehmen. Dem kam die Angeklagte nach und ließ sich festnehmen, beleidigte die drei Beamten aber als „Penner“ und „Staatshuren“ (Tat II.3 der Urteilsgründe). 

3. Eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass die Angeklagte zukünftig erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, hat das Landgericht nicht angenommen und deshalb ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt.

II. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

1. Es liegt kein Verfahrenshindernis vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein Verfahrenshindernis nur durch solche Umstände begründet, die es ausschließen, dass über einen Prozessgegenstand mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Die Umstände müssen dabei so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muss (vgl. BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 350; vom 10. März 1995 – 5 StR 434/93, BGHSt 41, 72, 75; vom 11. August 2016 – 1 StR 196/16, und vom 6. September 2016 – 1 StR 104/15; LR-Kühne, StPO, 27. Aufl., Einl. K 37; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., Einl. Rn. 143, jeweils mwN). Bei bloßen Verfahrensfehlern ist dies in der Regel nicht der Fall (BGH, Urteil vom 6. September 2016 – 1 StR 104/15). Nach diesen Maßstäben liegt ein Verfahrenshindernis nicht vor.

a) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft fehlt es hinsichtlich der Taten II.1 und 2 der Urteilsgründe sowie des Freispruchs nicht an einer wirksamen Anklageschrift. Denn die Antragsschrift im Sicherungsverfahren steht nach § 414 Abs. 2 Satz 1 StPO der öffentlichen Klage gleich. Die Notwendigkeit, dass die Antragsschrift den Erfordernissen der Anklageschrift gemäß § 200 StPO entsprechen muss (§ 414 Abs. 2 Satz 2 StPO), ergibt sich bereits im Hinblick auf eine mögliche Überleitung in das Strafverfahren gemäß § 416 Abs. 2 StPO (vgl. Maur in KK-StPO, 8. Aufl., § 414 Rn. 6; LR-Gössel, StPO, 26. Aufl., § 414 Rn. 15; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 414 Rn. 4).

b) Ein Verfahrenshindernis liegt auch nicht darin, dass hinsichtlich der Taten 1. bis 12. der Antragsschrift – nach dem sachlichen Gehalt der Urteilsformel – ein Übergang in das Strafverfahren erst mit dem Urteil erfolgt ist. Denn ein solcher ist grundsätzlich in jedem Verfahrensstadium nach Eröffnung des Hauptverfahrens und auch noch nach Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht möglich (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 19. Januar 2019 – 5 StR 466/18). Auch bei dem Übergang in ein Strafverfahren sind und bleiben die wesentlichen Rechte der Angeklagten gewahrt (BGH, Urteil vom 23. März 2001 – 2 StR 498/00, BGHSt 46, 345, 348).

c) Der fehlende Hinweis nach § 416 Abs. 2 StPO hinsichtlich der Taten 1. bis 12. der Antragsschrift stand der Entscheidung im Strafverfahren nicht unüberwindbar entgegen. Dass dem Fehlen des Hinweises die Bedeutung eines Verfahrenshindernisses zukommt, ist dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen. Die dem § 265 StPO nachgebildete Vorschrift (Maur in KKStPO, 8. Aufl., § 416 Rn. 4; LR-Gössel, StPO, 26. Aufl., § 416 Rn. 12) soll den Angeklagten vor Überraschungen schützen und ihm Gelegenheit zur sachgerechten Verteidigung geben (vgl. zu § 265 StPO BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2018 – 1 StR 34/18, NStZ 2018, 673; vom 25. Oktober 2016 – 2 StR 84/16, NStZ 2017, 241, und vom 12. Januar 2011 – 1 StR 582/10, BGHSt 56, 121). Das Unterbleiben eines Hinweises stellt zwar einen Verfahrensverstoß dar, begründet aber kein Verfahrenshindernis. Denn ein solcher Verstoß wiegt nicht so schwer, dass von seinem Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen – im Interesse der Angeklagten und im öffentlichen Interesse – abhängt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1975 – 1 StR 107/74, BGHSt 26, 84, 91; vom 13. Dezember 2000 – 2 StR 56/00, BGHSt 46, 230, 236; LR-Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 206a Rn. 30 mwN). Das Landgericht unterlag, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, mit der Überleitung den durch das Legalitätsprinzip vorgezeichneten strafprozessualen Zwängen. Mit dem Fehlen einer Anklageschrift oder eines Eröffnungsbeschlusses ist der fehlende Hinweis nicht gleichzusetzen, da bereits ein gerichtlich bestimmtes Verfahren vorliegt, in dem der Sicherungsantrag an die Stelle einer Anklageschrift, der Eröffnungsbeschluss im Sicherungsverfahren an die Stelle des Eröffnungsbeschlusses im Strafverfahren tritt (vgl. LR-Gössel, StPO, 26. Aufl., § 416 Rn. 11), durch die die inmitten stehenden Taten bereits hinreichend umgrenzt sind. Das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses ergibt sich auch nicht etwa aus dem durch die Staatsanwaltschaft gezogenen Vergleich mit der Regelung des § 81 Abs. 1 Satz 2 OWiG, nach der das Gericht anstelle einer Ordnungswidrigkeit „auf Grund eines Strafgesetzes nur entscheiden [darf], wenn der Betroffene zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist“. Zum einen soll das Unterlassen des Hinweises nach § 81 OWiG für das weitere Verfahren kein Verfahrenshindernis begründen (OLG Hamburg, NStZ 1986, 81; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 81 Rn. 24; KKOWiG/ Lutz, 5. Aufl., § 81 Rn. 18; LR-Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 206a Rn. 90). Zum anderen überzeugt der Verweis bereits wegen des abweichenden Wortlauts in § 416 Abs. 2 StPO nicht. Einer Vergleichbarkeit steht zudem entgegen, dass es im Ordnungswidrigkeitenverfahren an einer §§ 199 ff. StPO vorgelagerten umfassenden gerichtlichen Prüfung fehlt, die im Sicherungsverfahren garantiert ist (§ 414 Abs. 1 und 2 StPO).

2. Eine zulässige Verfahrensrüge ist insoweit schon nicht erhoben.

3. Auf die Sachrüge hin führt die Revision lediglich zu Gunsten der Angeklagten zur Aufhebung der Verurteilung wegen versuchter Sachbeschädigung (Tat II.1). Im Übrigen hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler ergeben.

a) Insbesondere die Ausführungen der Strafkammer zur bei den einzelnen Taten unterschiedlich beurteilten Schuldfähigkeit der Angeklagten begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Erforderlich ist insoweit eine konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten der Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf ihre Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 594/16, NStZ-RR 2017, 76; vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 74, und vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305 f.). Gemessen an diesen Maßstäben werden die Voraussetzungen der vom Landgericht angenommenen erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Taten II.1 bis 3 auf der Grundlage der vom Sachverständigen vermittelten Anknüpfungstatsachen zur Diagnose, zum Ausprägungsgrad der psychotischen Störung und zu deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit der Angeklagten in nachvollziehbarer Weise dargestellt und beweiswürdigend belegt. So hatte der Sachverständige für die Strafkammer überzeugend unter Verweis auf das unmittelbare Verhalten bei Tat II.3, bei der sie nicht sofort aggressiv reagierte, sich auf Ansprache des Polizeibeamten F. situationsadäquat verhielt und noch in der Situation ihr Verhalten reflektieren konnte, erläutert, dass die Angeklagte dabei nicht von einem Verfolgungswahn geleitet und ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit entsprechend nicht aufgehoben gewesen sei. Soweit sich der Sachverständige für die Taten II.1 und 2 zu einer konkretisierenden Bewertung der Auswirkungen der Störung in der Tatsituation nicht in der Lage gesehen hat und für den betreffenden Zeitraum zu einer dauerhaft aufgehobenen Schuldfähigkeit gelangt ist, hat sich das Landgericht zu Recht hieran bei seiner rechtlichen Bewertung nicht orientiert. Die oben dargestellten Anforderungen an die konkretisierende Darlegung der Auswirkungen der Störung auf die Tat gelten auch in Fällen einer Schizophrenie. Denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. nur BGH, Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17 [insoweit nicht abgedruckt unter NStZ-RR 2017, 316]; Beschlüsse vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, und vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239). Die Strafkammer sah im Rahmen der ihr obliegenden konkretisierenden Bewertung der Auswirkungen der vom Sachverständigen beschriebenen Störung in den Situationen, die den Taten II.1 und 2 zugrunde lagen, zahlreiche Parallelen, aufgrund derer sie vertretbar Schlüsse für ihre Bewertung der Schuldfähigkeit ziehen durfte. Insbesondere gegen die Wertung des bei diesen Taten gezeigten Verhaltens der Angeklagten als „dem dynamischen Geschehen angepasst und situationsbedingt adäquat“ und den vorgenommenen Vergleich mit dem Verhalten bei Tat II.3 gibt es revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

b) Der Freispruch ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat im Einklang mit den Ausführungen des Sachverständigen ausreichend dargelegt, weshalb die Einsichtsfähigkeit der Angeklagten bei den weiteren Taten aufgehoben war.

4. Der Schuldspruch hingegen war auf die Sachrüge in Teilen zu ändern.

a) Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener versuchter Sachbeschädigung (Tat II.1) hat in Wegfall zu geraten, weil sich den Feststellungen kein entsprechender Vorsatz entnehmen lässt. Vielmehr stellt das Landgericht fest, dass die Angeklagte sicher angenommen und darauf vertraut hat, dass die Straßenbahn nicht von Steinen getroffen werde (UA S. 20). Zu einer versuchten Sachbeschädigung des Geländers mangelt es an näheren Feststellungen.

b) Die Strafkammer musste sich nicht zu weiteren Ausführungen hinsichtlich der Größe des in

Richtung des Ho. geworfenen Steines (Tat 2 der Antragsschrift, UA S. 33) veranlasst sehen, da es diesen als „klein“ bezeichnet hat und die Tatbeschreibung, nach der die Angeklagte den Wurf „aus dem Handgelenk“ vorgenommen hatte und der Stein „an der gläsernen Innentür abprallte“ (UA S. 33 f.), ausreicht, um die für § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erforderliche Geeignetheit der Zufügung einer erheblichen Körperverletzung auszuschließen.

5. Die Strafzumessung weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Es ist nicht zu besorgen, dass dem Landgericht hinsichtlich der für die Tat II.3 verhängten Freiheitsstrafe von fünf Monaten die – nicht weiter erörterten – besonderen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB aus dem Blick geraten sind. Denn es hat bereits bei der Strafzumessung zu Tat II.2 hinreichend zum Ausdruck gebracht, sich der besonderen Prüfpflicht bei der Verhängung von Freiheitsstrafe unter sechs Monaten bewusst zu sein.

6. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Zwar beging sie die festgestellten rechtswidrigen Taten infolge der bei ihr bestehenden chronifizierten paranoiden Schizophrenie im Zustand der Schuldunfähigkeit (Fälle 1. bis 3. Und 6. bis 12. der Antragsschrift) bzw. der jedenfalls erheblich verminderten Schuldfähigkeit (Taten II.1 bis 3 der Urteilsgründe). Das Landgericht hat indes rechtsfehlerfrei dargelegt, dass der Angeklagten keine ihre Unterbringung rechtfertigende Gefährlichkeitsprognose gestellt werden kann.

a) Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 Satz 1 StGB kommt als außerordentlich beschwerende Maßnahme nur dann in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Bei den zu erwartenden Taten muss es sich um solche handeln, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen, und damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 22. Mai 2019 – 5 StR 683/18; vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 195/18, NStZ-RR 2019, 41, 42; vom 26. Juli 2018 – 3 StR 174/18 Rn. 12, und vom 10. April 2014 – 4 StR 47/14 Rn. 14; Beschlüsse vom 31. Oktober 2018 – 3 StR 432/18 Rn. 6 und vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338, jeweils mwN). Zudem ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung solcher Taten erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 – 5 StR 683/18; Beschlüsse vom 30. Mai 2018 – 1 StR 36/18, und vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142 mwN). Die Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 195/18, aaO, mwN).

b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe gerecht. Das Landgericht hat seiner Gefahrenprognose zutreffende rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt und ist dabei aufgrund einer Gesamtwürdigung der Persönlichkeit der Angeklagten, ihres Vorlebens und der festgestellten Anlasstaten zu dem Ergebnis gelangt, dass von ihr nicht mit der für eine Unterbringung erforderlichen Wahrscheinlichkeit erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne von § 63 Satz 1 StGB zu erwarten sind. Dabei hat es den auf einer Statistik beruhenden Ausführungen des Sachverständigen zu Recht kein entscheidendes Gewicht beigemessen. Denn statistische Werte sind bei der individuellen Gefahrenprognose im Rahmen der Maßregelprüfung allenfalls am Rande von Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2016 – 2 StR 545/15, StV 2016, 720). Vielmehr hat das Landgericht die Prognose anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entwickelt und alle hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte gesehen und vertretbar gewürdigt. So hat es berücksichtigt, dass die Angeklagte ohne medikamentöse Behandlung mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zwar erneut den Anlasstaten ähnelnde Verstöße begehen wird, diese jedoch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB eingeordnet, indem es jeweils die konkrete Gefährlichkeit der verfahrensgegenständlichen Taten in den Blick genommen und sowohl für sich als auch in ihrer Gesamtheit gewichtet hat. Zudem hat die Strafkammer zutreffend bewertet, dass versuchte gefährliche Körperverletzungen (Tat II.1 und Tat 3. der Antragsschrift, UA S. 33) grundsätzlich erheblich im Sinne des § 63 Satz 1 StGB sein können, wobei es aber auf die konkrete Gefährdungslage ankommt. Diese hat das Landgericht jeweils mit Rücksicht auf die konkreten Tathandlungen, die ausgebliebenen Verletzungsfolgen sowie den bei den Geschädigten hinterlassenen Eindruck in nicht zu beanstandender Weise eingeordnet. Auch die hinsichtlich Tat 2. der Antragsschrift erfolgte Bewertung als nicht ausreichend erheblich ist rechtsfehlerfrei. Nach Einschätzung des Zeugen Ho. sei der Steinwurf nicht gefährlich gewesen, wenn er sich auch zunächst beim Anblick des Steins in ihrer Hand erschrocken habe; nähere Ausführungen zur Beschaffenheit des Steins waren daher entbehrlich. Die Verstöße gegen § 126 StGB und die Bedrohung (Tat 12. der Antragsschrift), die im Polizeirevier D. jeweils zu keinen Beeinträchtigungen oder Veränderungen im Geschäftsbetrieb geführt hätten, seien durch die Polizisten des Reviers D. , denen die Angeklagte von zahlreichen Vorkommnissen bekannt war, ebenfalls nicht als gefährlich eingeschätzt worden. Das Verhalten gegenüber den ehemaligen Nachbarn hat das Landgericht vertretbar als singuläres Geschehen gewertet. Schließlich hat die Strafkammer ebenso das zurückliegende Verhalten der Angeklagten in die Überlegungen eingestellt. Die Ende 2015 bis Anfang 2017 begangenen Straftaten, die 2018 zu dem Urteil des Landgerichts Dresden geführt hatten, waren den gegenständlichen Taten vergleichbar; eine Zunahme der Gefährlichkeit hat sich nicht ergeben.