StPO § 462a Abs. 1 Satz 1 – Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer

 

StPO § 462a Abs. 1 Satz 1 – Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer

BGH, Beschl. v. 25.05.2011 - 2 ARs 164/11 2 AR 119/11 

LS: Die für die Invollzugsetzung der Unterbringung nach § 67h StGB zuständige Strafvollstre­ckungskammer bleibt i.S.v. § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO mit der Sache befasst, bis die Maßnahme beendet ist.

Die Untersuchung und Entscheidung der Sache wird gemäß § 14 StPO dem Landgericht – Strafvollstreckungskam­mer – Berlin übertragen. 

Gründe:

1. Gegen den Verurteilten wurde mit Gesamtstrafenbeschluss des Landgerichts Berlin vom 18. August 1989 eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat festgesetzt und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin setzte durch Beschluss vom 25. Januar 2007 die weitere Vollstreckung der Unterbringung und der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung aus. Zugleich wurden die Bewährungszeit und die Führungsaufsicht auf fünf Jahre festgesetzt. Am 15. November 2010 erließ die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin Sicherungshaftbefehl gegen den Verurteilten, der am 16. No­vember 2010 im Zentrum für Psychiatrie Reichenau (im Landgerichtsbezirk Konstanz) aufgenommen wurde. Mit Beschluss vom 28. Februar 2011 setzte sie die Unterbringung des Verurteilten für die Dauer von drei Monaten wie­der in Vollzug, ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der Maßnahme an und hob den Sicherungshaftbefehl auf. Die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte Berlin und Konstanz streiten über die Zuständigkeit für die weitere Bewährungsüberwachung und Führungsaufsicht, insbesondere für die Entscheidung über die weitere Invollzugset­zung der Unterbringung gemäß § 67h Abs. 1 Satz 2 StGB.

2. Örtlich zuständig ist die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Berlin. Gemäß § 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO ist die Strafvollstreckungskammer der Strafanstalt örtlich zuständig, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist. Zwar wurde der Verurteilte nach erfolgter Invollzugsetzung der Unterbringung gemäß § 67h Abs. 1 Satz 2 StGB am 16. November 2010 in den Maß­regelvollzug des Zentrums für Psychiatrie Reichenau aufgenommen und befand sich daher im örtlichen Zuständig­keitsbereich des Landgerichts Konstanz. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin blieb jedoch zu­ständig, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Sache befasst war. Diese Zuständigkeit besteht fort.  a) Zum Zeitpunkt der Aufnahme des Verurteilten in die Psychiatrie war die Strafvollstreckungskammer des Landge­richts Berlin mit der Prüfung des Widerrufs der Aussetzung zur Bewährung befasst, nachdem die Staatsanwaltschaft Berlin am 12. November 2010 den Widerruf der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung beantragt hatte. In diesem Rahmen prüfte das Landgericht Berlin als den Widerruf vermeidende, mildere Maßnahme die Invollzugset­zung der Unterbringung gemäß § 67h Abs. 1 Satz 2 StGB und erließ am 15. November 2010 Sicherungshaftbefehl. Hierdurch war seine Zuständigkeit für die erste Invollzugsetzung der Unterbringung durch Beschluss vom 28. Feb­ruar 2011 begründet. b) Das Landgericht Berlin bleibt auch für die Prüfung der Verlängerung dieser Maßnahme nach § 67h Abs. 1 Satz 2 StGB zuständig, da es weiterhin i.S.v. § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO mit der Sache befasst ist. Das Befasstsein endet erst, wenn in der Sache abschließend entschieden worden ist (BGHSt 26, 165, 166; 187, 189; NStZ 1981, 404; NStZ 1984, 380, 381). Die mit Beschluss vom 28. Februar 2011 erfolgte Invollzugsetzung der Unterbringung für die Dauer von drei Monaten stellt keine abschließende Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung dar. Über diesen Antrag hat das Landgericht Berlin bisher - in der Sache folgerichtig - noch nicht befunden, da diese Entscheidung von dem Erfolg der Krisenintervention gemäß § 67h Abs. 1 Satz 2 StGB abhängt. Hinzu kommt, dass - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutref­fend hinweist - die Fortdauer der Anordnung der Invollzugsetzung der Unterbringung unter dem Vorbehalt ihrer Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht und aufzuheben ist, sobald der Zweck der Maßnahme, nämlich die Beseitigung einer akuten Zustandsverschlechterung oder eines Rückfalls des Verurteilten und damit der Gefahr eines Widerrufs nach § 67g StGB, erreicht ist (Fischer StGB 58. Aufl. § 67h Rn. 8). Dies führt zu einer fortlaufenden Prü­fungspflicht der Strafvollstreckungskammer und bedingt, dass ihr Befasstsein mit der Sache bis zur Beendigung der Krisenintervention und Entscheidung über den Antrag auf Widerruf der Aussetzung der Unterbringung zur Bewäh­rung andauert. 

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