Bewährung, Auflagen, Weisungen, Widerruf, Aussetzen der Rechsstrafe zur Bewährung, Halbstrafe, Aussetzen der Reststrafe im Gnadenwege
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Unterscheidung Strafaussetzung zur Bewährung, Strafaufschub, Strafunterbrechung, Straferlass, Absehen von Strafe
1.Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil
a) Die Prognose bei Aussetzung der Vollstreckung einer Strafe bis zu einem Jahr
b) Die Prognose bei Aussetzung der Vollstreckung einer Strafe bis zu zwei Jahren
c) Was passiert bei einer negativen Prognose?
d) Was bedeutet Bewährung ? - Die Bewährungszeit
e) Was sind Bewährungsauflagen?
f) Was sind Weisungen ?
2. Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung
3. Strafaussetzung der Reststrafe zur Bewährung
4. Die Halbstrafe
5. Abschiebung nach Halbstrafe
6. Strafaussetzung zur Bewährung im Gnadenwege
Unterscheidung Strafaussetzung zur Bewährung, Strafaufschub, Strafunterbrechung, Straferlass, Absehen von Strafe
Die Strafaussetzung zur Bewährung ist zu unterscheiden vom Strafaufschub, Strafunterbrechung, Straferlass (Erlass im Gnadenwege, vgl. unten Ziffer 5) und Absehen von Strafe.
1. Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil oder Strafbefehl
Die Strafaussetzung zur Bewährung kommt nur bei Freiheitsstrafe, Jugendstrafe und Strafarrest und grundsätzlich nur bei einer Strafe bis zu einem Jahr und unter besonderen Umständen bei einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren in Betracht.
a) Die Prognose bei Aussetzung der Vollstreckung einer Strafe bis zu einem Jahr
Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist,
- dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und
- künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.
Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind (§ 56 Abs. 1 StGB).
b) Die Prognose bei Aussetzung der Vollstreckung einer Strafe bis zu zwei Jahren
Das Gericht kann unter den oben genannten Voraussetzungen auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wieder gut zu machen, zu berücksichtigen (§ 56 Abs. 2 StGB).
c) Was passiert bei einer negativen Prognose?
Andererseits können Freiheitsstrafen bis 6 Monaten vollstreckt werden, wenn dies zur Verteidigung der Rechtsordnung notwendig ist (§ 56 Abs. 3 StGB). Bei kürzeren Freiheitsstrafen ist die Täterprognose entscheidend, d.h. dass bei einer positiven Prognose eine Strafaussetzung zur Bewährung zu gewähren ist.
Die Strafaussetzung zu Bewährung ist nur beschränkt bei Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 61 – 72 StGB) zulässig und bei Geldstrafe unzulässig. Denn bei Geldstrafe kann Stundung, Ratenzahlung und Umwandlung in Arbeitsstunden gewährt werden.
d) Was bedeutet Bewährung ? - Die Bewährungszeit
Die Bewährungszeit ist nicht die ausgeurteilte Strafe, sondern bezeichnet den Zeitraum bis zum Erlass der Strafe bei Erfüllung der Auflagen und Weisungen, z.B. sich straffrei zu führen. Die Bewährungszeit beträgt zwischen zwei und fünf Jahren.
e) Was sind Bewährungsauflagen?
Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen,
- nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wieder gut zu machen,
- einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist,
- sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder
- einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen (§ 56b StGB).
f) Was sind Weisungen ?
Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Das Gericht kann den Verurteilten namentlich anweisen,
- Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder auf die Ordnung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen,
- sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer anderen Stelle zu melden,
- zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
- bestimmte Gegenstände, die ihm Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen oder
- Unterhaltspflichten nachzukommen.
Die Weisung sich einer Heilbehandlung, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, oder einer Entziehungskur zu unterziehen oder in einem geeigneten Heim oder einer geeigneten Anstalt Aufenthalt zu nehmen, darf nur mit Einwilligung des Verurteilten erteilt werden.
Ferner kann das Gericht den Verurteilten einem Bewährungshelfer unterstellen (§ 56d StGB).
Alle genannten Maßnahmen kann das Gericht auch nachträglich treffen (§ 56e StGB).
2. Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung
Bei einer Bewährungsstrafe kann wegen des Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen oder erneuter Straffälligkeit während der Bewährungszeit geraten, kann die Staatsanwaltschaft den Bewährungswiderruf beim zuständigen Gericht beantragen. Vor einen Bewährungswiderruf wird dem/der Betroffenen Gelegenheit gegeben, sich zu erklären und Gründe gegen den Bewährungswiderruf vorzutragen. In dieser Situation ist es ratsam, sich eines Anwalts / einer Anwältin Strafrecht bzw. Strafverteidigers / Strafverteidigerin, Fachanwalts Strafrecht zu bedienen und vertreten lassen, denn im Falle des Widerrufs der Bewährung folgt die Ladung zum Strafantritt auf dem Fuße.
Nach Ablauf der Bewährungszeit wird die Strafe erlassen, wenn kein Anlass zum Widerruf besteht. Gründe für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung sind,
- wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
- gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begehen wird, oder
- gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern (56f StGB).
Im Jugendstrafrecht gilt das gleiche mit der Abweichung, dass gemäß § 21 ff JGG der Jugendliche stets einem Bewährungshelfer zu unterstellen ist. Ferner kann die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt werden ( §§ 27 ff JGG).
Gegen den Widerruf der Bewährung ist die sofortige Beschwerde - Frist 1 Woche ! - als Rechtsbehelf zur Überprüfung der Entscheidung durch das nächst höhere Gericht zulässig.
3. Strafaussetzung der Reststrafe zur Bewährung
Eine Strafaussetzung der Reststrafe zur Bewährung ist im Strafvollstreckungsrecht bei zeitigen Freiheitsstrafen und lebenslangen Freiheitsstrafen zulässig.
Bei zeitigen Freiheitsstrafen setzt das Gericht den Strafrest zur Bewährung aus, wenn
- zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
- dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
- die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung ist insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind (§ 57 Abs. 1 StGB).
Eine lebenslange Freiheitsstrafe kann nach 15 Jahren unter gleichen Voraussetzungen nach Einholung eines Sachverständigengutachten zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 454 Abs. 2 StPO), wenn nicht die besonders schwere Tatschuld die Vollstreckung gebietet (§ 57a StGB) oder Sicherheitsverwahrung angeordnet wurde (§ 66 StGB). Die Bewährungszeit beträgt 5 Jahre. Die besondere Schuldschwere muss bereits Tatgericht - nicht erst die Strafvollstreckungskammer – im Urteilstenor festgestellt werden. Die Feststellung verlangt Umstände von Gewicht und wird von Tatgericht in Gesamtwürdigung der Tat und der Täterpersönlichkeit getroffen.
Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes
1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.
4. Die Halbstrafe
Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe (Halbstrafe), mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn
- die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
- die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen oben ausgeführten drei Voraussetzungen erfüllt sind (§ 57 Abs. 2 StGB). Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer (§ 462a StPO).
Im Jugendstrafrecht wird die Halbstrafe bei Erstverbüßern in Hamburg häufiger gewährt. Gemäß § 88 JGG ist der Vollstreckungsleiter der Jugendrichter, d.h. für die JVA Hahnöfersand der Jugendrichter am AG Harburg.
5. Abschiebung nach Halbstrafe
Nicht zu verwechseln ist Halbstrafe nach § 57 StGB mit der Abschiebung nach Verbüßung der Halbstrafe gemäß § 456a StPO, welche jedoch vollstreckt wird, wenn der Verurteilte vor der Vollstreckungsverjährung gemäß §§ 79 – 79b StGB zurückkehrt und im Falle der Rückkehr eine erneutes Ermittlungsverfahren wegen illegaler Einreise riskiert.
6. Strafaussetzung zur Bewährung im Gnadenwege
Die Strafaussetzung im Gnadenwege ist nicht an bestimmte Voraussetzungen in Hinblick auf die Art und Höhe der Strafe etc. gebunden, sondern steht in dem Ermessen der Gnadenbehörde. Die Strafaussetzung im Gnadenwege kann daher auch in Abweichung von einer ablehnenden Entscheidung der Strafvollstreckungskammer gewährt und mit Auflagen verbunden werden. Die Zuständigkeit und Verfahren richten sich nach Gnadenordnung des jeweiligen Bundeslandes und ist bei Staatsanwaltschaft, Justizministerium oder der Regierung teilweise nach der Höhe der Strafe und beantragten Bewährungsfrist angesiedelt. Bei Zuständigkeit der Bundesgerichtsbarkeit in ersten Rechtszug ist der Bundespräsident zuständig. Die Gnadenentscheidung ist nach herrschender Meinung nicht gerichtlich überprüfbar, da sie ein Akt des Wohlwollens und des nicht nachprüfbaren Ermessens ist.
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