StGB § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern (Kindesmissbrauch)

Vertretung / Verteidigung: realer Missbrauch oder fiktiver Missbrauch z.B. in der Auseinandersetzung um das Sorgerecht, Umgangsrecht, Aufenthaltsbestimmungsrecht, projizierter Missbrauch eines Verwandten auf einen Dritten, Borderliner oder andere psychisch Erkrankte auf der Suche nach der Universalerklärung ihrer Lebensprobleme usw.


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Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Joachim Lauenburg - Strafverteidiger, Hamburg

1. Bedeutung, Reichweite, Rechtsgut des § 176 StGB

§ 176 StGB ist die wichtigste und umfassendste Strafnorm gegen Kindesmissbrauch. Gemäß § 176 StGB werden sexueller Handlungen mit Kindern im weitesten Zusammenhang unter Strafe gestellt.
Die Norm soll die Integrität der freien sexuellen Entwicklung und Fähigkeit zur sexuellen Entfaltung und Selbstbestimmung der Kinder schützen. Der Gesetzgeber möchte Beeinträchtigungen der Gesamtentwicklung von Kindern durch sexuelle Handlungen an oder durch unter 14-Jährigen unterbinden. Diese sind ausnahmslos verboten.
Es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, welches schon die Möglichkeit der Rechtsgutverletzung unter Strafe stellt, d.h. die sexuelle Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes muss altersentsprechend nicht einmal vorhanden sein, sondern deren zukünftige Entwicklung gefährdet sein, ohne dass der Rechtsgutträger, das Kind, etwas davon ahnt.
 
Die Verwirklichung des Tatbestandes gemäß § 176 Absatz 1 StGB beinhaltet u.a. sexuelle Handlungen, die an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vorgenommen wurden oder der Täter von einem Kind an sich hat vornehmen lassen. 

2. Der Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a StGB

Unter schwerem sexuellem Missbrauch fallen gemäß § 176a Absatz 2 StGB unter anderen folgende Handlungen:
 
  • eine Person über achtzehn Jahren vollzieht mit dem Kind den Beischlaf oder nimmt ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vor oder lässt sie vornehmen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind,
  • die Tat wird von mehreren gemeinschaftlich begangen oder
  • der Täter bringt das Kind durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung.
 Die Strafandrohung beträgt bis zu 20 Jahre.

3. Verlängerte Verjährungsfristen

Die Verjährung von Straftaten ist gemäß §§ 78 ff. StGB geregelt. Tritt die Verjährung ein, kann die Tat nicht mehr verfolgt werden. Die Länge der Verfolgungsverjährung richtet sich nach der Strafandrohung der begangenen Tat und beginnt in der Regel mit der Beendigung der Tat.

Der sexuelle Missbrauch von Kindern nach § 176 Abs. 1 StGB ist mit Strafe bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB würde der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern folglich ohne die Sonderregelung gemäß § 78b StGB nach 10 Jahren verjähren.

Der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176 a StGB hingegen verjährt regelmäßig erst nach 20 Jahren. Der Tatbestand wurde erst im Jahre 1998 in das Strafgesetzbuch (StGB) eingefügt, so dass die Verjährung erst für tatbestandsmäßige Handlungen ab dem 01.04.1998 20 Jahre beträgt. Taten, die vor diesem Zeitpunkt begangen wurden, verjähren daher nach 10 Jahren. 

Besonderheit bei der Verjährung des sexuellen Missbrauchs von Kindern

Gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB beginnt die Verjährung von Sexualstraftaten nicht mit deren Beendigung, sondern ruht bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers. Dies bedeutet, dass die Verjährung bei einem sexuellen Missbrauch nach § 176 I StGB erst beginnt, wenn das Opfer 30 geworden ist. Der Kindesmissbrauch gemäß § 176 StGB verjährt aufgrund der Strafandrohung von bis zu 10 Jahren gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB mit dem 40. Geburtstag des Opfers; bei schweren Kindesmissbrauch gemäß § 176 a StGB aufgrund der Strafandrohung bis zu 20 Jahre gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB mit dem 50. Geburtstag. Durch diese Regelung soll den Opfern mehr Zeit gegeben werden den Missbrauch zur Anzeige zu bringen. 

Für Taten, deren Verjährungsfrist zum Zeitpunkt einer neuen Gesetzgebung noch läuft, greift im Falle einer Gesetzesänderung zugunsten des Opfers die neue Verjährungsfrist.

Die zivilrechtlichen Ansprüche (Schmerzensgeld) verjähren erst nach 30 Jahren.
Diese Regelung soll dem zum Tatzeitpunkt minderjährigen Opfer, das durch den Missbrauch traumatisiert ist und daher möglicherweise erst Jahrzehnte später sich in der Lage sieht, sich dem begangenen Verbrechen zu stellen, ermöglichen, seine Strafansprüche durchzusetzen.

4. Kindesmissbrauch: Welche Tatbestände werden erfasst?

Tatbestandsvoraussetzungen des Kindesmissbrauchs durch sexuelle Handlungen – § 176 Abs. 1, Abs. 2 StGB

4.1 Tatbestand gemäß § 176 Abs. 1 StGB

§ 176 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter vorsätzlich sexuelle Handlungen an einem Kind vornimmt oder von dem Kind an sich vornehmen lässt.
 
Kindesmissbrauch sind alle sexuellen Handlungen an und mit Kindern. Sexuelle Handlungen sind alle körperlichen Berührungen, die nicht altersgemäße oder situationsgemäße Handlungen sind und darauf abzielen sich oder einen Dritten sexuell zu erregen. Eine Einwilligung des Kindes ist ausnahmslos unwirksam.
 
Neutrale gegebenenfalls auch strafbare Handlungen, denen nur der Täter sexuelle Bedeutung zumisst, reichen nicht aus. Die Strafbarkeit ist ausgeschlossen, etwa weil das Kind die sexuelle Bedeutung des Vorgangs nicht versteht und diesen nicht einmal wahrnimmt.
 
Kind ist jede Person unter 14 Jahren. Täter kann jede Person sein.
 
Der Tatbestand des § 176 Abs. 1 StGB auch erfüllt, wenn die sexuellen Handlungen an schlafenden Kindern vorgenommen werden, welche dies nicht bewusst wahrnehmen. Die sexuelle Integrität des Kindes soll in jeder Hinsicht geschützt werden.

4.2 Tatbestand gemäß § 176 Abs. 2 StGB 

Nach dem Tatbestand des sexuellen Missbrauchs gemäß § 176 Abs. 2 StGB muss der Täter ein Kind dazu bestimmen, sexuelle Handlungen vorzunehmen. Bestimmen bedeutet, dass eine Willensbeeinflussung nicht erforderlich ist. Ein einfaches Verursachen der sexuellen Kontakte ist hier bereits ausreichend. Dies kann durch Versprechen, Zwang, Drohung, Täuschung, Belohnung oder Wecken von Neugier geschehen. Das Bestimmen muss unmittelbar zwischen Täter und Opfer geschehen sein. Die sexuellen Handlungen müssen zwischen Opfer und Täter oder Opfer und einem Dritten vorgenommen werden.

4.4 Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 4, Abs. 5 StGB

Die § 176 Abs. 4, Abs. 5 StGB beschreiben vorsätzliche Tathandlungen, bei denen es nicht unmittelbar zum Körperkontakt des Täters mit dem Kind kommt.
 
§ 176 Abs. 4 StGB setzt dabei im Einzelnen voraus:

4.4.1. Nr. 1 –  Sexuelle Handlungen vor einem Kind:

Das sind sexuelle Handlungen, die der Täter an sich selbst oder an einem Dritten vornimmt.
 
Auch ist zur Erfüllung des Tatbestands keine körperliche Nähe notwendig, denn der Tatbestand ist auch erfüllt, wenn ein Kind über das Internet übermittelte sexuelle Handlungen des Täters zeitgleich am Bildschirm betrachtet. Für den Täter muss die Wahrnehmung durch das Kind handlungsbestimmend sein. Eine gelegentliche sexuelle Handlung in Anwesenheit eines Kindes, bei der dem Täter die Anwesenheit gleichgültig ist, d.h. die sexuellen Handlungen ohne subjektiven Bezug auf die Anwesenheit des Kindes vorgenommen werden, reicht nicht aus, wohl aber für eine Strafbarkeit wegen Exhibitionismus.

4.4.2. Nr. 2 – Bestimmen eines Kindes zur Vornahme sexueller Handlungen:

Gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 2 StGB werden alle sexuellen Handlungen jeder Art z.B. zur Herstellung von Kinderpornografie, die das Kind auf Veranlassung durch den Täter vornimmt, erfasst. Danach ist das Kind diejenige Person, die sexuelle Handlungen vornimmt, unabhängig von ihrer eigenen Vorstellung. Hierunter fallen etwa auch sexuelle Posen des Kindes, die vom Täter fotografiert werden, obwohl dabei kein unmittelbarer körperlicher Kontakt stattfindet. Ohne Handlungskomponente werden z.B. der Erwerb von Kinderpornografie von § 184b StGB erfasst.
 
Das Kind muss den sexuellen Charakter der Handlungen nicht erkennen. Nicht erfasst werden dagegen wie schon oben dargestellt, objektiv nicht sexualbezogene Handlungen, die nur vom Täter als solche betrachtet werden (z.B. nackt baden, Handstand machen, in Unterwäsche die Beine spreizen, Spreizen der Beine unter Entblößung des Geschlechtsteils, wenn kein Posieren vorliegt, also das in den Vordergrund stellen der sexuellen Bedeutung etwa durch unnatürliche Körperhaltungen). Auch hier werden die akustische und visuelle Aufnahme durch den Täter erfasst. Eine räumliche Nähe ist nicht erforderlich. Der Tatbestand erfasst auch sexuelle Handlungen des Kindes auf Veranlassung des Täters, die weder dieser noch irgendeine Person wahrnimmt oder aufgezeichnet wird, wenn diese dazu dient, dass sich der Täter an der Vorstellung oder dem Gespräch darüber sexuell erregt. Ausgenommen sind sozialadäquate Handlungsweisen.

4.4.3. Nr. 3 – Einwirken auf ein Kind durch Schriften zur Veranlassung sexueller Handlungen:

Bestraft werden Handlungen, dass Kind zu sexuellen Handlungen an oder vor dem Täter oder einem Dritten oder zur Duldung sexueller Handlungen durch mediale Einwirkung (Zeitschriften, Internet, Chat-Room, Soziale Netzwerke) zu bringen Diese Vorschrift trägt dem Trend Rechnung, dass Täter Kinder im Internet in Chatrooms kennenlernen und diese zu einem Treffen im realen Leben veranlassen. Bereits solche Anbahnungshandlungen stehen daher unter Strafe. Unter den tatbestandlichen Begriff der “Schriften” fällt auch jede Art der Kommunikation im Internet, wenngleich diese auch keinerlei Sexualbezug aufweisen muss. Gesetzeslücke: Die Vorbereitung und der Versuch der Verabredung mit dem Kinde zum Zwecke des Einwirkens, es zu sexuellen Handlungen an oder vor dem Täter oder einem Dritten oder zur Duldung sexueller Handlungen zu bringen,  ist strafbar, während die Verabredung unter Anwesenden bisher straflos ist.

4.4.4. Nr. 4 – Einwirken auf ein Kind durch pornografische Abbildungen, Tonträger oder Reden:

Dies ist mit der Nr. 3 zu vergleichen. Hier ist missbräuchliches Handeln von sozial adäquatem, pädagogischem oder aufklärendem Handeln abzugrenzen.

4.5. § 176 Abs. 5 StGB stellt folgende Handlungsvarianten unter Strafe:

4.5.1. Var. 1 – Anbieten/ Var. 2 Versprechen eines Kindes zum Missbrauch:

Hierfür muss vom Täter ein bestimmtes Kind für kindesmissbräuchliche Zwecke angeboten werden oder das Bemühen um einen Nachweis eines bestimmten Kindes angezeigt werden. Anbieten bedeutet dabei, dass der Täter willens und in der Lage ist, ein Kind für einen sexuellen Missbrauch zur Verfügung zu stellen. In der strafrechtlich ist es dabei unerheblich, ob es sich dabei um kein ernsthaftes Angebot, also nicht um die Wahrheit handelt oder ob es tatsächlich zum Angebot eines Kindes kommt, es sein denn es ist ein rein fiktives Versprechen zwischen Eingeweihten.

4.5.2. Var. 3 – Verabreden zum Kindesmissbrauch:

Diese Variante stellt den Versuch der Beteiligung am Kindesmissbrauch entsprechend des § 30 Abs. 2 StGB unter Strafe.

5. Rechtsfolgen der Tatbestandsverwirklichung des Kindesmissbrauchs

Der sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 1, Abs. 2 StGB wird nach dem Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Bei Verwirklichung eines besonders schweren Falls des § 176 StGB ist Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr die Folge. Die in § 176 Abs. 4, Abs. 5 StGB aufgeführten Fällen liegt das Strafmaß zwischen drei Monaten und fünf Jahren Freiheitsstrafe.
 
Der Versuch des Kindesmissbrauchs ist gemäß § 176 Abs. 3, Abs. 4 StGB ebenfalls unter Strafe gestellt.
 
Wie sich die Strafe im konkreten Straffall darstellt, kann jedoch nicht einmal genau von einem Rechtsanwalt vorhergesagt werden, da sich das konkrete Strafmaß am Einzelfall orientiert und weitere Faktoren, z.B. Vorstrafen, Vor- und Nachtatverhalten zu berücksichtigen sind.

6. Opferhilfe, Verhaltenshinweise, Nebenklagevertretung und Strafverteidigung

Sowohl bei Aufkommenden Anschuldigungen des Kindesmissbrauchs, als auch für Opfer solcher sexuellen Missbrauchstaten ist die Beratung durch einen im Sexualstrafrecht erfahrenen Rechtsanwalt bzw. Strafverteidiger zu empfehlen. Gerade das öffentliche Interesse an Kindesmissbrauchsfällen und die erheblichen, damit verbundenen persönlichen Folgen für alle Betroffenen, machen eine spezielle sowie verständnisvolle anwaltliche Beratung unbedingt notwendig.