Wann kann ich einen Pflichtverteidiger verlangen ? Wann muss mir ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden ?

Strafrecht: 

Wir verteidigen Sie, gleichgültig wie der Vorwurf lautet - in Hamburg und bundesweit

Unsere Empfehlung:

Bringen Sie alle Unterlagen (Vorladung, Anklage, amtliche Schreiben) mit.

Sofort-Kontakt:

LAUENBURG | KOPIETZ | HERZOG | HOFFMANN
     Rechtsanwälte     Strafverteidigung

Rufen Sie so früh wie möglich an ! Zu spät ist es fast nie !

Bürozeiten: 7:00 Uhr - mind. 18:00 Uhr

Tel.: 040 / 39 14 08 (Rückruf-Service)
oder Anwaltsnotdienst außerhalb unserer Bereitschaften

JETZT TERMIN VEREINBAREN

E-Mail: lauenburg@ihr-anwalt-hamburg.de oder Kontaktformular 
Anfahrt zur Kanzlei mit dem PKW oder ÖPNV.

1. Voraussetzungen der Pflichtverteidigung / notwendigen Verteidigung Erwachsenen / Heranwachsenden und Jugendlichen

In der Regel haben Sie einen Anspruch auf eine*n Pflichtverteidiger*in, wenn

  • Ihnen eine Freiheitstrafe von einem Jahr oder mehr ohne Bewährung droht,
  • nach dem Grundsatz der Waffengleichheit, wenn etwa Mitangeklagte ein(e) Pflichtverteidiger*in oder die Nebenklage (Geschädigte, Verletzte) sich eines Beistands (Rechtsanwalts) bedient oder beigeordnet wurde,
  • Unfähigkeit sich aufgrund körperlicher oder geistiger Einschränkungen selbst zu verteidigen,
  • besondere Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage,
  • Freiheitsentziehung durch Untersuchungshaft, Straftat, Unterbringung, drohenden Bewährungswiderruf.

2. Voraussetzungen der Beiordnung eines Pflichtverteidigers / einer Pflichtverteidigerin bei Erwachsenen

Sie bekommen als Erwachsener eine*n Pflichtverteidiger*in beigeordnet oder können eine Pflichtverteidigung verlangen, wenn kurz zusammengefasst eine Anklage vor dem Oberlandesgericht, Landgericht oder Schöffengericht zu erwarten ist, Ihnen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr ohne Bewährung oder Bewährungswiderruf droht, Ihnen Untersuchungshaft droht oder Strafvollstreckungshaft vollzogen wird oder Sie sich nicht ausreichend selbst verteidigen können. In einzelnen:

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

  1. zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht (Amtsrichter*in und zwei Laienrichter*innen) stattfindet;
  2. dem Beschuldigten ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) zur Last gelegt wird;
  3. das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
  4. der Beschuldigte nach den § 115 StPO (Vorführung vor den zuständigen Richter/in), § 115 a StPO (Vorführung vor den Richter/in den nächsten Amtsgerichtes), § 128 Absatz 1 StPO (Vorführung bei vorläufiger Festnahme) oder § 129 StPO (Vorführung nach vorläufiger Festnahme nach Anklageerhebung) einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
  5. der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
  6. zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 StPO in Frage kommt;
  7. zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
  8. der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
  9. dem Verletzten nach den § 397 a StPO und § 406 h Abs. 3 und 4 StPO ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
  10. bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
  11. ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

In diesen Fällen bestellt der Vorsitzende auf Ihren Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint (z.B. wenn eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr droht) oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann, namentlich, weil dem Verletzten nach den § 397 a StPO, § 406 g Abs. 3 und 4 StPO ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Dem Antrag eines hör- oder sprachbehinderten Beschuldigten ist zu entsprechen.

3. Zeitpunkt der Bestellung für Erwachsende / Heranwachsende:

In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

3.1. Antragunabhängige Beiordnung eines Pflichtverteidigers

Unabhängig von einem Antrag ist dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger zu bestellen, sobald

  1. er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll;
    bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
    im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder
    er gemäß § 201 StPO zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
    Erfolgt die Vorführung zum Zwecke des Erlass eines Haftbefehls nach § 127 b Abs: 2 StPO oder der Vollstreckung eines Haftbefehls gemäß § 230 Absatz 2 StPO oder § 329 Abs. 3 StPO , so wird ein Pflichtverteidiger nur bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt.

3.2. Voraussetzungen der Beiordnung eines Pflichtverteidigers / einer Pflichtverteidigerin bei Jugendlichen

Ein Pflichtverteidiger/in wird gemäß § 68 JGG, § 140 StPO beigeordnet, wenn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr ohne Bewährung, der Widerruf der Bewährungsstrafe oder Untersuchungshaft droht oder vollzogen wird, sich der Jugendliche nicht ausreichend selbst verteidigen kann, die Erziehungsberechtigten ausgeschlossen sind oder eine Begutachtung angeordnet wird. Dem Jugendlichen muss danach ein Verteidiger beigeordnet werden, wenn

  1. im Verfahren gegen einen Erwachsenen ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 StPO vorliegen würde,
  2. dem Erziehungsberechtigten gem. § 67 Abs. 4 JGG die Verfahrensrechte entzogen wurden, weil er z.B. der Tatbeteiligung verdächtig ist,
  3. die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter nach § 51 Abs. 2 JGG von der Verhandlung ausgeschlossen worden sind und die Beeinträchtigung in der Wahrnehmung ihrer Rechte durch eine nachträgliche Unterrichtung (§ 51 Abs. 4 Satz 2) oder die Anwesenheit einer anderen geeigneten volljährigen Person nicht hinreichend ausgeglichen werden kann,
  4. zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand des Beschuldigten (§ 73 JGG) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt oder
  5. die Verhängung einer Jugendstrafe, die Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt zu erwarten ist.
  6. Darüber hinaus ist dem Jugendlichen gemäß § 140 StPO ein notwendiger Verteidiger beizuordnen, wenn er nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen. Diese Unfähigkeit kann sich auch aus dem Alter des jugendlichen Beschuldigten ergeben. Je jünger er ist, desto eher wird man annehmen können, dass er zur Verteidigung selbst nicht in der Lage ist. Etwas anders kann die Sachlage sein, wenn der Jugendliche schon "gerichtserfahren" ist.
  7. Dem Jugendlichen wird weiter ein Pflichtverteidiger beizuordnen sein, wenn ein Mitangeklagter verteidigt wird (Grundsatz der Waffengleichheit) oder wenn die Verhängung einer Jugendstrafe in Betracht kommt. Weitere Gründe für die Beiordnung sind ausländerrechtliche Konsequenzen oder der drohende Bewährungswiderruf in einer anderen Sache.

Bei Jugendlichen wird in Fällen der notwendigen Verteidigung dem Jugendlichen, der noch keinen Verteidiger hat, ein Pflichtverteidiger spätestens bestellt, bevor eine Vernehmung des Jugendlichen oder eine Gegenüberstellung mit ihm durchgeführt wird. Dies gilt nicht, wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung allein deshalb vorliegt, weil dem Jugendlichen ein Verbrechen zur Last gelegt wird, ein Absehen von der Strafverfolgung nach § 45 Absatz 2 oder 3 JGG zu erwarten ist und die Bestellung eines Pflichtverteidigers zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt auch unter Berücksichtigung des Wohls des Jugendlichen und der Umstände des Einzelfalls unverhältnismäßig wäre. § 141 Absatz 2 Satz 2 StPO ist nicht anzuwenden.

4. Wahl des Pflichtverteidigers / der Pflichtverteidigerin oder Beiordnung durch das Gericht

In Hamburg soll offiziell die von der Anwaltskammer Hamburg erstellte Liste Hamburger Strafverteidiger von den Gerichten dem Verhafteten zur Verfügung gestellt werden, aus der / die Beschuldigte sich einen Strafverteidiger seines / ihres Vertrauens als Pflichtverteidiger auswählen könne oder vom Gericht ein Strafverteidiger als Pflichtverteidiger ausgewählt oder beigeordnet werde. Die Strafverteidiger der Kanzlei Lauenburg & Kopietz, die seit über 70 Jahren im Bereich des Strafrechts tätig ist und über erfahrene Strafverteidiger / Fachanwaltschaft für Strafrecht verfügt, sind auf dieser Liste aufgeführt.

5. Was ist ein(e) Pflichtverteidiger*in ?

Der Pflichtverteidiger ist ein Strafverteidiger, der dem / der Angeklagten im Strafprozess in den Fällen notwendiger Verteidigung (§§ 140 ff. StPO) durch das Gericht – auch gegen den Willen des / der Angeklagten - beigeordnet wird.
In der Regel wird der / die Angeklagte mit Übersendung der Anklageschrift im Falle einer notwendigen Verteidigung aufgefordert, innerhalb einer vom Gericht bestimmtem Frist – meist nur eine Woche - einen Strafverteidiger seiner Wahl zu benennen, andernfalls werde das Gericht einen Pflichtverteidiger bestellen. Der von dem / der Angeklagten beauftragte Wahlverteidiger / Strafverteidiger kann die Beiordnung als Pflichtverteidiger unter Niederlegung des Wahlmandates beantragten. 

Eine Kontrolle der Beiordnungspraxis findet nicht statt.

Der Pflichtverteidiger wird von der Staatskasse bezahlt. Dieser kann, weil er reduzierte Gebühren erhält, mit dem Mandanten eine zusätzliche Vergütung bis zur Höhe der doppelten Pflichtverteidigergebühren vereinbaren.

Zurück zur Übersicht: Häufig gestellte Fragen zur Pflichtverteidigung